Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Dennoch sind beide Alternativen auch in der amerikanischen Zone praktiziert wor 
den, und diese Praxis wirkte in die französische Zone hinein. Zu unterscheiden sind 
grundsätzlich die Selbstverwaltungsorgane bei den Krankenkassen, die in der Regel 
dezentral zu wählen waren und in der Tat einen größeren technischen Aufwand 
erforderten, und die Organe bei den Landesversicherungsanstalten, bei denen pro 
Anstalt nur je ein zentraler Ausschuß für die Rentenversicherung und für die Ge 
meinschaftsaufgaben der Krankenversicherung zu konstituieren war. 
Als erstem Gebiet der Westzonen wurde für Württemberg, und zwar noch zonen- 
übergreifend, in dem Erlaß über die Errichtung eines Württembergischen Landes 
versicherungsamtes bereits am 20. Juli 1945 bestimmt, vorbehaltlich der Bildung der 
endgültigen Organe habe jeder Versicherungsträger vorerst wieder einen Ausschuß zu 
bestellen, dem neben dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter je zwei Arbeitge 
ber- und Arbeitnehmervertreter anzugehören hätten. 14 Ende August wurde ergän 
zend für die Krankenkassen eine Zweidrittelmehrheit der Arbeitnehmer wie vor 1933 
festgelegt. 15 Im französisch besetzten Teil Württembergs weigerte sich nur die Kreis 
militärregierung von Biberach, die der Tätigkeit ihres Landrates Fritz Erler auf 
zahlreichen Gebieten besonders viele Schwierigkeiten in den Weg legte, diese Rege 
lung und weitere Stuttgarter Erlasse anzuerkennen, da sie nicht über die Tübinger 
Militärregierung geleitet worden seien. 16 Dabei handelte es sich allerdings nicht um 
grundsätzlichen französischen Widerstand auf Landesebene, sondern um die in der 
frühen Zeit häufig zu beobachtende Eigenmächtigkeit von Kreiskönigen, welche die 
Militärregierung selbst nur schwer unter Kontrolle brachte. Den Stuttgarter Erlaß 
erachtete der Sozialversicherungsoffizier in Hessen-Pfalz im Sommer 1945 als Vor 
bild für eine zoneneinheitliche Regelung der Aufsichtsfunktionen, 17 und zu Jahres 
ende genehmigte die Tübinger Militärregierung einen weiteren Erlaß des Landesdi 
rektors Moser, der diese Anweisungen ausdrücklich für die Krankenkassen bestätig 
te und die Abberufung der nach dem Aufbaugesetz eingesetzten Beiräte anordnete; 
der Ausschuß sei von den Kassen im Benehmen mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern 
zu berufen. 18 
Für die Landesversicherungsanstalt in Stuttgart ist die Berufung dieses Ausschusses 
relativ rasch durchgeführt worden; schon der Verwaltungsbericht für 1945 meldete 
seine personelle Zusammensetzung. 19 Allerdings erfolgte die Bestätigung erst nach 
14 Erlaß vom 20. 7. 1945 in StA SIG Wü 180/461. 
15 Erlaß vom 31. 8. 1945, ebd. 
So Landesversicherungsamt Stuttgart an Landesdirektion für Arbeit in Tübingen, 
13. 12. 1945, auf entsprechende Eingaben Erlers vom 24. 9. und 1. 10. 1945; ebd. Vgl. Aye, 
Selbstverwaltung, S. 71. Zu Erlers Schwierigkeiten in Biberach ausführlich Soell, Bd. 1, 
S. 64 ff. 
Vgl. dazu oben S. 215 f. 
Erlaß Mosers an die Versicherungsämter in Württemberg-Hohenzollern, 6. 12. 1945; StA 
SIG Wü 180/637. 
Verwaltungsbericht der Landesversicherungsanstalt Württemberg fiir das Kalenderjahr 1945; 
Archiv LVA Württemberg, Az. 542.131.2. Der Ausschuß setzte sich für die amerikanische 
Zone zusammen aus drei Arbeitnehmer- sowie drei Arbeitgebervertretern (je einer aus 
Industrie, Handwerk und Landwirtschaft); aus der französischen Zone gehörten ihm der 
Fabrikant Gustav Wagner aus Reutlingen und als Arbeitnehmervertreter Karl Gengier an.
	        
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