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Dennoch sind beide Alternativen auch in der amerikanischen Zone praktiziert wor
den, und diese Praxis wirkte in die französische Zone hinein. Zu unterscheiden sind
grundsätzlich die Selbstverwaltungsorgane bei den Krankenkassen, die in der Regel
dezentral zu wählen waren und in der Tat einen größeren technischen Aufwand
erforderten, und die Organe bei den Landesversicherungsanstalten, bei denen pro
Anstalt nur je ein zentraler Ausschuß für die Rentenversicherung und für die Ge
meinschaftsaufgaben der Krankenversicherung zu konstituieren war.
Als erstem Gebiet der Westzonen wurde für Württemberg, und zwar noch zonen-
übergreifend, in dem Erlaß über die Errichtung eines Württembergischen Landes
versicherungsamtes bereits am 20. Juli 1945 bestimmt, vorbehaltlich der Bildung der
endgültigen Organe habe jeder Versicherungsträger vorerst wieder einen Ausschuß zu
bestellen, dem neben dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter je zwei Arbeitge
ber- und Arbeitnehmervertreter anzugehören hätten. 14 Ende August wurde ergän
zend für die Krankenkassen eine Zweidrittelmehrheit der Arbeitnehmer wie vor 1933
festgelegt. 15 Im französisch besetzten Teil Württembergs weigerte sich nur die Kreis
militärregierung von Biberach, die der Tätigkeit ihres Landrates Fritz Erler auf
zahlreichen Gebieten besonders viele Schwierigkeiten in den Weg legte, diese Rege
lung und weitere Stuttgarter Erlasse anzuerkennen, da sie nicht über die Tübinger
Militärregierung geleitet worden seien. 16 Dabei handelte es sich allerdings nicht um
grundsätzlichen französischen Widerstand auf Landesebene, sondern um die in der
frühen Zeit häufig zu beobachtende Eigenmächtigkeit von Kreiskönigen, welche die
Militärregierung selbst nur schwer unter Kontrolle brachte. Den Stuttgarter Erlaß
erachtete der Sozialversicherungsoffizier in Hessen-Pfalz im Sommer 1945 als Vor
bild für eine zoneneinheitliche Regelung der Aufsichtsfunktionen, 17 und zu Jahres
ende genehmigte die Tübinger Militärregierung einen weiteren Erlaß des Landesdi
rektors Moser, der diese Anweisungen ausdrücklich für die Krankenkassen bestätig
te und die Abberufung der nach dem Aufbaugesetz eingesetzten Beiräte anordnete;
der Ausschuß sei von den Kassen im Benehmen mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern
zu berufen. 18
Für die Landesversicherungsanstalt in Stuttgart ist die Berufung dieses Ausschusses
relativ rasch durchgeführt worden; schon der Verwaltungsbericht für 1945 meldete
seine personelle Zusammensetzung. 19 Allerdings erfolgte die Bestätigung erst nach
14 Erlaß vom 20. 7. 1945 in StA SIG Wü 180/461.
15 Erlaß vom 31. 8. 1945, ebd.
So Landesversicherungsamt Stuttgart an Landesdirektion für Arbeit in Tübingen,
13. 12. 1945, auf entsprechende Eingaben Erlers vom 24. 9. und 1. 10. 1945; ebd. Vgl. Aye,
Selbstverwaltung, S. 71. Zu Erlers Schwierigkeiten in Biberach ausführlich Soell, Bd. 1,
S. 64 ff.
Vgl. dazu oben S. 215 f.
Erlaß Mosers an die Versicherungsämter in Württemberg-Hohenzollern, 6. 12. 1945; StA
SIG Wü 180/637.
Verwaltungsbericht der Landesversicherungsanstalt Württemberg fiir das Kalenderjahr 1945;
Archiv LVA Württemberg, Az. 542.131.2. Der Ausschuß setzte sich für die amerikanische
Zone zusammen aus drei Arbeitnehmer- sowie drei Arbeitgebervertretern (je einer aus
Industrie, Handwerk und Landwirtschaft); aus der französischen Zone gehörten ihm der
Fabrikant Gustav Wagner aus Reutlingen und als Arbeitnehmervertreter Karl Gengier an.