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Saarbrücken, des Dolmetscherinstitutes Germersheim und der am Vorbild der Pari
ser ENA orientierten heutigen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer
sind im Hochschulbereich Beispiele für eine intensiv engagierte Politik; sie sollte
französische Kultur zum Instrument der Ausdehnung und Sicherung französischen
Einflusses machen und unter dieser Leitlinie neue Grundlagen für das deutsch-fran
zösische Verhältnis schaffen. Theater, Ausstellungen, Buchproduktion, Erwachse
nenbildung dienten dem gleichen Ziel, Die Beurteilung vieler dieser Maßnahmen ist
schwierig. Hier kamen einerseits Idealisten der Völkerverständigung zum Zuge, wie
es sie unter den verschiedensten Vorzeichen immer gegeben hat, so auch während
des Krieges um Otto Abetz in der deutschen Botschaft in Paris. Andererseits waren
Teile des Kulturprogramms mit dem französischen „Dominanzkonzept“ (Loth)
durchaus zu vereinbaren, wenn französische Traditionen in Deutschland eingeführt
werden sollten. Vor allem im Bereich der Schulreformen entwickelten sich daraus
zahlreiche Konflikte mit der deutschen Verwaltung, so aufgrund des tiefen französi
schen Mißtrauens gegen das humanistische Gymnasium; die im Laufe der Nach
kriegsjahre wachsenden deutschen Kompetenzen führten zunächst zu einer Blockie
rung und später zu einer weitgehenden Rücknahme der Reformmaßnahmen. Auch
im Pressebereich, in dem, im Gegensatz zu dem verbreiteten Eindruck von einer
scharfen französischen Zensur, tatsächlich besonders konstruktive Konzeptionen
entwickelt wurden, ist manche französische Planung an der innerdeutschen Entwick
lung gescheitert — sei es an anderen Konzeptionen, sei es an der Indolenz der
deutschen Verwaltungen. Vielfach sind die französischen Initiativen von deutscher
Seite aber auch mit Enthusiasmus aufgenommen worden. Dabei kamen, im Gegen
satz zu den oben angesprochenen historischen Belastungen durch die jahrhunderte
langen Auseinandersetzungen, auch die anderen Traditionen des seit der französi
schen Revolution vielfach an modernen französischen Verfassungsbewegungen
orientierten südwestdeutschen Liberalismus zur Wirkung und zeigten die Ambiva
lenz des historischen „Ballastes“.
Daß die Besatzungsmacht auch in der Gewerkschaftsfrage nicht, wie bislang vermu
tet, eine Politik der „Sabotage“ verfolgte, sondern die Gewerkschaften im Rahmen
ihres wirtschaftlichen Nutzungs- und politischen Demokratisierungskonzeptes im
Aufbau auch förderte, hat Alain Lattard für Rheinland-Pfalz gezeigt. 19 Besonders
interessant waren schließlich die Entwicklungen in der Entnazifizierungspolitik, in
der Württemberg-Hohenzollern das differenzierteste Konzept der deutschen West
zonen entwickelte. * 40 Ob die Besatzungsmacht bei dem Freiraum, den die Tübinger
Regierung hier erhielt und der weit über das in anderen Zonen eingeräumte Maß
hinausging, vor allem aus Desinteresse oder Opportunismus handelte, wie Klaus-
Dietmar Henke annimmt, oder ob sie sachlich stärker engagiert war, wie manche
Interventionen es vermuten lassen, wäre an den französischen Akten zu überprüfen.
Insgesamt sind Neuordnungsansätze in der Entwicklung im Südwesten damit bis
lang zwar deutlich, aber nur ansatzweise bekannt und zudem vielfach in einen
" Lattard, Gewerkschaften, sowie ders., Syndicalisme.
Henke, Politische Säuberung; hierzu in der Gesamtinterpretation abweichend Hudemann,
Französische Besatzungszone, S. 240 ff.