Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Geprägt ist das Bild der französischen Besatzungsherrschaft schließlich durch die 
besonders enge Kontrolle, der die deutsche Verwaltung und die Landtage unter 
worfen wurden. 33 Dieser Problematik wird auch in der vorliegenden Arbeit nachzu 
gehen sein; die französische Politik stand hier in grundsätzlichem Gegensatz zur 
Haltung der amerikanischen Besatzungsmacht, die gleichfalls den Anspruch einer 
„Demokratisierungspolitik“ erhob, darunter zumindest in ihrer Militärregierung in 
Deutschland aber stärker die Rückübertragung politischer Eigenverantwortung an 
deutsche Institutionen verstand. Die Widersprüche, die sich für die Franzosen dar 
aus teilweise zu den offiziell zugestandenen Parlamentskompetenzen ergaben, tru 
gen zu der eingangs zitierten Rücktrittsdrohung von Boislambert wesentlich bei. 
Klaus-Dietmar Henke, der dies besonders pointiert geschildert hat, hat dafür den 
Begriff der „Politik des als ob“ geprägt: Zugeständnisse, welche die Franzosen im 
Rahmen ihrer „Demokratisierungspolitik“ gemacht hätten, seien intern und unter 
Verbot, dies zu zitieren oder zu kritisieren, wieder zurückgenommen worden. Erst 
1948 sei dieses „Stück besatzungspolitischer Artistik“ der „Diskrepanz zwischen 
Propaganda und praktischer Politik“ unter dem Druck der Demokratisierung in der 
Bizone schließlich abgesetzt worden. 34 
In der Bilanz ergibt sich in der Forschung bisher ein Bild der französischen Besat 
zungsherrschaft, für das Theodor Eschenburgs auf die Wirtschaft bezogenes Wort 
von der „Ausbeutungskolonie“ am besten zutrifft: Sämtliche „Ansätze zu politischen 
Reformen“, um erneut ein Fazit von Henke aufzugreifen, seien ohnehin „von An 
fang an zum Scheitern verurteilt“ gewesen, weil sie in „der Praxis ... gänzlich von 
der mit strikter politischer Kontrolle einhergehenden wirtschaftlichen Exploitation 
der Zone überlagert“ worden seien. 35 
Dieses Fazit bezieht sich auf Neuordnungsansätze und Differenzierungen, wie sie, 
umrißhaft und meist auf die Ebene einzelner Länder bezogen, auch in Teilen der 
bisherigen Literatur bereits deutlich geworden sind. 36 Alfred Grosser 37 und F. Roy 
Willis gehören zu den Autoren, die auf sie schon vor Jahrzehnten hinwiesen. Am 
besten bekannt sind sie in der Kulturpolitik. 38 Die frühe Wiedereröffnung der 
Universitäten Freiburg und Tübingen, die Gründung der Universitäten Mainz und 
33 Zusammenfassend dazu Henke, Politik der Widersprüche, S. 82 ff., sowie die Beiträge von 
Gerd Friedrich Nüske, Der Landtag von Württemberg-Hohenzollern, und Frieder Kuhn, 
Der Landtag von (Süd-)Baden, in: Blickle u. a., S. 270-284 u. 285-295. 
34 Henke, Politik der Widersprüche, S. 89. 
35 Ebd., S. 88. Vgl. unten Anm. 41. 
36 Vgl. dazu, thesenhaft solche der kollektiven Erinnerung eher zuwiderlaufende Ansätze 
zusammenfassend, Hudemann, Französische Besatzungszone. 
31 Grosser, La IV e Republique, aber auch seine älteren Werke. Seine frühen kritischen und 
lebendigen Berichte aus der Zone, die 1947 in Combat erschienen, sind dt. neu gedruckt: 
Die Jugend Deutschlands, in: ders., Mit Deutschen streiten, S. 11 -25. 
38 Aus der breiten Literatur s. vor allem: Gilmore; Winkeler; Müller, Konfessionell oder 
simultan? Ruge-Schatz, Umerziehung; dies., Grundprobleme, mit Überblick über die 
Literatur; zum Verlagswesen: Mombert; zur Presse: Schölzel; im Zusammen 
wirken von Historikern und Zeitzeugen: Vaillant (Hg.), La denazification, sowie 
Knipping, Le Rider u. Mayer (Hg.); zur Elitenpolitik: Knipping, Umerziehung, sowie 
Morsey, 40 Jahre. Zur Ambivalenz der Konzeptionen auf der Spitzenebene 1945/46: 
Hudemann, Kulturpolitik.
	        
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