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Geprägt ist das Bild der französischen Besatzungsherrschaft schließlich durch die
besonders enge Kontrolle, der die deutsche Verwaltung und die Landtage unter
worfen wurden. 33 Dieser Problematik wird auch in der vorliegenden Arbeit nachzu
gehen sein; die französische Politik stand hier in grundsätzlichem Gegensatz zur
Haltung der amerikanischen Besatzungsmacht, die gleichfalls den Anspruch einer
„Demokratisierungspolitik“ erhob, darunter zumindest in ihrer Militärregierung in
Deutschland aber stärker die Rückübertragung politischer Eigenverantwortung an
deutsche Institutionen verstand. Die Widersprüche, die sich für die Franzosen dar
aus teilweise zu den offiziell zugestandenen Parlamentskompetenzen ergaben, tru
gen zu der eingangs zitierten Rücktrittsdrohung von Boislambert wesentlich bei.
Klaus-Dietmar Henke, der dies besonders pointiert geschildert hat, hat dafür den
Begriff der „Politik des als ob“ geprägt: Zugeständnisse, welche die Franzosen im
Rahmen ihrer „Demokratisierungspolitik“ gemacht hätten, seien intern und unter
Verbot, dies zu zitieren oder zu kritisieren, wieder zurückgenommen worden. Erst
1948 sei dieses „Stück besatzungspolitischer Artistik“ der „Diskrepanz zwischen
Propaganda und praktischer Politik“ unter dem Druck der Demokratisierung in der
Bizone schließlich abgesetzt worden. 34
In der Bilanz ergibt sich in der Forschung bisher ein Bild der französischen Besat
zungsherrschaft, für das Theodor Eschenburgs auf die Wirtschaft bezogenes Wort
von der „Ausbeutungskolonie“ am besten zutrifft: Sämtliche „Ansätze zu politischen
Reformen“, um erneut ein Fazit von Henke aufzugreifen, seien ohnehin „von An
fang an zum Scheitern verurteilt“ gewesen, weil sie in „der Praxis ... gänzlich von
der mit strikter politischer Kontrolle einhergehenden wirtschaftlichen Exploitation
der Zone überlagert“ worden seien. 35
Dieses Fazit bezieht sich auf Neuordnungsansätze und Differenzierungen, wie sie,
umrißhaft und meist auf die Ebene einzelner Länder bezogen, auch in Teilen der
bisherigen Literatur bereits deutlich geworden sind. 36 Alfred Grosser 37 und F. Roy
Willis gehören zu den Autoren, die auf sie schon vor Jahrzehnten hinwiesen. Am
besten bekannt sind sie in der Kulturpolitik. 38 Die frühe Wiedereröffnung der
Universitäten Freiburg und Tübingen, die Gründung der Universitäten Mainz und
33 Zusammenfassend dazu Henke, Politik der Widersprüche, S. 82 ff., sowie die Beiträge von
Gerd Friedrich Nüske, Der Landtag von Württemberg-Hohenzollern, und Frieder Kuhn,
Der Landtag von (Süd-)Baden, in: Blickle u. a., S. 270-284 u. 285-295.
34 Henke, Politik der Widersprüche, S. 89.
35 Ebd., S. 88. Vgl. unten Anm. 41.
36 Vgl. dazu, thesenhaft solche der kollektiven Erinnerung eher zuwiderlaufende Ansätze
zusammenfassend, Hudemann, Französische Besatzungszone.
31 Grosser, La IV e Republique, aber auch seine älteren Werke. Seine frühen kritischen und
lebendigen Berichte aus der Zone, die 1947 in Combat erschienen, sind dt. neu gedruckt:
Die Jugend Deutschlands, in: ders., Mit Deutschen streiten, S. 11 -25.
38 Aus der breiten Literatur s. vor allem: Gilmore; Winkeler; Müller, Konfessionell oder
simultan? Ruge-Schatz, Umerziehung; dies., Grundprobleme, mit Überblick über die
Literatur; zum Verlagswesen: Mombert; zur Presse: Schölzel; im Zusammen
wirken von Historikern und Zeitzeugen: Vaillant (Hg.), La denazification, sowie
Knipping, Le Rider u. Mayer (Hg.); zur Elitenpolitik: Knipping, Umerziehung, sowie
Morsey, 40 Jahre. Zur Ambivalenz der Konzeptionen auf der Spitzenebene 1945/46:
Hudemann, Kulturpolitik.