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verhindern. Die Tübinger Verwaltung unterstützte den Verband so weitgehend, daß
sie sogar die französische Übersetzung eines umfangreichen Memorandums gegen
die Einheitskrankenversicherung besorgte und sie an die Tübinger Militärregierung
weitergab. 29 Diese riet der deutschen Verwaltung daraufhin mündlich, sich direkt an
Baden-Baden zu wenden. 30 Wie Moser dem für die Einheitsversicherung eintreten
den, von den Kommunisten Max Bock bzw. ab 1. Februar 1946 Rudolf Kohl geleite
ten Stuttgarter Arbeitsministerium mitteilte, war er sich in der Ablehnung der Ein
heitskasse mit der Tübinger Militärregierung einig. Während die Stuttgarter erwider
ten, gerade die besseren Leistungen der Betriebskassen, gegen deren Verlust die
Betroffenen protestierten, sollten allen Versicherten zugutekommen und seien damit
der entscheidende Grund für die geplante Auflösung dieser Kassen, 31 entfalteten die
Verbandsvertreter eine rege Aktivität. Louise Breitling reiste am 31. Januar nach
Baden-Baden und trug Sozialversicherungsoffizier Hesselbarth ihren Protest persön
lich vor. Die Antwort übertraf jedoch ihre schlimmsten Befürchtungen: der Verord
nungstext für eine Einheitsversicherung liege unterschriftsreif bei General Koenig. 32
Ihr Versuch, bei Koenig direkt vorgelassen zu werden, scheiterte. Sofort organisierte
der Verband eine gewaltige Unterschriftenaktion in den betroffenen Betrieben und
berief eine Kassenkonferenz ein, zu der die Vertreter der Militärregierung 33 34 35 ebenso
eingeladen wurden wie Anhänger der Einheitsversicherung aus dem Stuttgarter
Arbeitsministerium und Vertreter der Ortskrankenkassen. 3 “ In zunächst richtiger
Einschätzung der gewerkschaftsfreundlichen Haltung der Baden-Badener Direction
du Travail ließ Breitling sich vom Württembergischen Gewerkschaftsbund bestäti
gen, er habe mit den Einheitsversicherungsinitiativen nichts zu tun, um so der
Militärregierung zu suggerieren, es gehe nicht um demokratische Reformen, sondern
um die Durchsetzung von Partikularinteressen - womit die Ortskrankenkassen ge
meint waren. Im übrigen hätten die Briten in einer Sitzung in ihrem Bad Oeynhause-
ner Hauptquartier am 4. Februar 1946 mitgeteilt, die Reformpläne seien in ihrer
Zone ad acta gelegt. 33 Der scharfe Ton, in den der Verband sich bei seinen Aktionen
hineinsteigerte, bewirkte in Baden-Baden nun allerdings das Gegenteil: Unter dem
Eindruck der Flut der Protesttelegramme vermutete General Koenig, das Sachpro-
blem - das er eingehend zu überprüfen befahl - bilde den Vorwand für eine rebellion
deguisee ä mes ordres. Als sowohl seine Arbeitsdirektion als auch die politische
29 Organisationsform der deutschen Sozialversicherung, am 7. 1. 1946 an den Tübinger Sachbear
beiter Kopf gesandt; Moser sandte die französische Fassung am 16. 1. 1946 an die Militärre
gierung. Beide Fassungen ebd.
30 Vermerk ebd.
31 Moser an Arbeitsministerium Württemberg-Baden, 1.2. 1946, und Antwort vom 11. 2. 1946
ebd.
31 Breitling an Dumont (MR Tübingen), 2.2. 1946; ebd. Zu Breitlings Aktivitäten vgl. die
Unterlagen in der Sachakte von Koenigs Zivilkabinett, AdO Colmar Cab. Koenig C.
148/Eco V A4.
33 Hesselbarth und Dumont; Entschließung der Versammlung vom 5. 2. 1946 sowie zahlreiche
Betriebsresolutionen ebd.
34 Vgl. den Bericht Genglers an die Landesdirektion für Arbeit, 7. 2. 1946; ebd. U. a. traten
LVA Präsident Härle sowie Ministerialrat (?) Hof für die Einheitsversicherung ein.
35 Moser selbst hatte dem Verband zu entsprechenden erneuten Demarchen geraten: Breitling
an Hesselbarth, 14. 2. 1946, ebd.; Schreiben des Gewerkschaftsbundes in Anlage.