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Noch stärker als die allgemeine Deutschlandpolitik und das Verhalten der Besat
zungstruppen ist die französische Wirtschaftspolitik in der Zone für das bisheri
ge Gesamtbild der Besatzungszeit ausschlaggebend. Angesichts der vielfältigen Ver
flechtung von Wirtschafts- und Sozialpolitik boten mehrere grundlegende Arbeiten
zu Teilbereichen der Wirtschaftspolitik und Ernährungslage für die vorliegende
Arbeit besonders reichhaltiges Material.“
Daß die deutsche Wirtschaftspolitik in Frankreich während des Krieges den ent
scheidenden Hintergrund für diese Aspekte französischer Besatzung bildete, ist in
den letzten Jahren häufig betont, wenn auch in der praktischen Forschungsarbeit
nicht immer voll in Rechnung gestellt worden. Die französische Politik erscheint
ganz von dem Interesse geprägt, die deutsche und vor allem die Zonenwirtschaft
weitmöglichst in den Dienst des französischen Wiederaufbaus zu stellen. Dieses
Ziel, von den entscheidenen Pariser Stellen in eindeutigen Formulierungen vorgege
ben, war auch für weite Teile des Besatzungsapparates in der Zone vorrangig. Das
Recht auf Rückerstattung der im Krieg von deutscher Seite in Frankreich entnomme
nen Güter, die in Potsdam und im Kontrollrat beschlossenen Reparationen und die
Monopolisierung des Außenhandels in französischen Händen waren die wichtigsten
Instrumente dazu. Wie weit sie legal genutzt wurden und welche halb- oder illegalen
Vorteile Frankreich aus der Zone zog, ist bislang allerdings nur ansatzweise quantifi
zierbar; immerhin liegen genauere Zahlen als für vergleichbare Maßnahmen der
anderen Alliierten vor.“
Von deutscher Seite wurden seinerzeit vor allem die Demontagen und die Ernäh
rungsauflagen gesehen, denen man die soziale Not der Nachkriegsjahre weitgehend
zuschrieb. Besonders eindringlich blieben der Bevölkerung die abgeholzten Wälder
in Erinnerung, die durch die seit 1942 in Südwestdeutschland grassierende Borken
käferplage und die Kämpfe zu Kriegsende ohnehin bereits stark mitgenommen
waren. * 26 27 Mit Sicherheit lag das Schwergewicht der französischen Einwirkung aller
dings anders, als die Bevölkerung es empfand. Die schwierige Ernährungslage,
beherrschendes Thema in der französischen Zone, war nur zu geringem Teil auf die
französischen Entnahmen zurückzuführen, 28 doch war deren politische Wirkung,
auch infolge der vielfach skandalösen Begleitumstände etwa bei der Erhebung der
“ Zusammenfassend Abelshauser, Wirtschaft und Besatzungspolitik; ders., Wirtschaftsge
schichte; Manz; Läufer, Industrie, sowie seine Zusammenfassung: Die südbadische Indu
strie; Jerchow, Deutschland. Vgl. auch die Beiträge von Gustav von Schmoller, Walter
Atorf (methodisch besonders wichtig), Willi Schefold und Gerd-Friedrich Nüske in: Gög-
ler, Richter u. Müller (Hg.); erstmals auf der Grundlage französischer Akten: Lud-
mann-Obier, Contröle. Zu einigen Problemen vgl. genauer unten S. 34 ff., zur Ernährungs
lage S. 108 ff.
26 Vgl. besonders Abelshauser, Wirtschaft und Besatzungspolitik, und Jerchow, Deutsch
land. Zu den Forschungsproblemen: Hudemann, Fragen.
27 Vgl. dazu Wellenstein (Hg.); Gotthilf Schmid, Forstwirtschaft, in: Gögler, Richter
u. Müller (Hg.), S. 305-322.
28 Vgl. dazu Rothenberger, Hungerjahre, und ders., Ernährungs- und Landwirtschaft. Lord
Beveridge, der auf die alarmierenden Berichte über die Ernährungslage hin Ende 1946 eine
Art Kontrollreise durch die französische Zone unternahm, kam bei seiner Überprüfung zu
ähnlichen Zahlen wie die französische Militärregierung; danach verringerten sich die Kalo
rienwerte der Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung durch die französischen
Entnahmen durchschnittlich um etwa 5 %. Vorgänge in Md AE Y (1944-1949) 440.