238
Landtagspräsident in Bebenhausen und war unter Arbeitsminister Wirsching Mini
sterialrat im Arbeitsministerium. Der bereits mehrfach erwähnte August Wolters, seit
der Weimarer Republik christlicher Gewerkschaftler und Mitarbeiter des Deutschen
Handlungsgehilfenverbandes, wurde 1945 Leiter des Sozialdezernates im Regie
rungspräsidium Trier und bis 1958 Geschäftsführer der örtlichen AOK; er entwickel
te sich, u. a. als Vorsitzender ihres Sozialausschusses, zu einem der energischsten
Sprecher des Arbeitnehmerflügels in der rheinland-pfälzischen CDU, wurde 1948
Landtagspräsident und Vorsitzender des sozialpolitischen Ausschusses im Landtag,
1959 bis 1971 Innen- und 1959 bis 1967 zusätzlich auch Sozialminister in Rheinland-
Pfalz. Zwei Präsidenten der drei frühen Landtage in der französischen Zone kamen
damit nicht nur aus der Gewerkschaftsbewegung, sondern beruflich aus der Sozial
versicherung. Fritz Fleck (SPD) war Bürgermeister von Tuttlingen, Leiter der örtli
chen AOK, Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes Württemberg-Hohenzollern und
stellvertretender Präsident des Bebenhausener Landtages. Der sozialdemokratische
Gewerkschaftler Philipp Martzloff (1880-1962), gebürtiger Elsässer, war von 1909
bis 1933 Arbeitersekretär in Freiburg gewesen, hatte 1919 der provisorischen Badi
schen Revolutionsregierung als Minister für Übergangswirtschaft und Wohnungs
wesen angehört, war bis 1933 Vorsitzender der SPD in Freiburg und wurde 1933/34
und 1944 in Konzentrationslagern, darunter Dachau, inhaftiert. Er wurde im Fe
bruar 1946 badischer Ministerialdirektor für Arbeit und, nach der Eingliederung des
Arbeitsministeriums in das Wirtschaftsministerium, dort Leiter der Direktion Ar
beit; zugleich war er Landtagsabgeordneter der SPD/ Wilhelm Bökenkrüger, gleich
falls sozialdemokratischer Gewerkschaftler, war 1945 Präsidialdirektor für Arbeit
und Leiter des Landesarbeitsamtes in Hessen-Pfalz sowie von Juli 1947 bis Oktober
1949 Arbeitsminister von Rheinland-Pfalz. Der regionale Leiter des kurzlebigen
Ortskrankenkassenverbandes in Hessen-Pfalz 1946, der sozialdemokratische Ge
werkschaftler Heinemann, wurde Ministerialrat und zugleich einer der politisch
maßgebenden Beamten im Koblenzer Arbeitsministerium.
Da die öffentlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Gewerkschaften und Parteien im
Winter 1945/46 noch begrenzt waren, setzten ihre Mitglieder ihre Verwaltungspo
sten oft dafür ein, auch im Sinne ihrer politischen Überzeugungen zu wirken. Gerade
in der Sozialverwaltung war diese Situation schon deshalb häufig anzutreffen, weil
hier ein besonders großer Anteil des Personals, aufgrund der umfassenden Kompe
tenzen der Deutschen Arbeitsfront vor 1945 nicht überraschend, politisch belastet
war und zumindest zeitweise ausscheiden mußte. Hinreichend ausgebildetes Ersatz
personal fehlte weithin, wie von den zuständigen Verwaltungen ständig betont wur
de. * 4 So boten sich ehemalige Gewerkschaftler, die sich vielfach in der Weimarer Zeit
auf untergeordneten Posten mit sozialpolitischen Fragen befaßt hatten, als relativ
kompetenter Ersatz an. Infolge der unzureichenden biographischen Information
1 Vgl. Materialien im Nachlaß Philipp Martzloff, StA FR.
4 Entsprechende Korrespondenz findet sich in zahlreichen Akten aus der Frühzeit, beispiels
weise in Archiv LVA RLP und StA SIG Wü 180/441, darunter ein zusammenfassender
Bericht des Präsidenten der LVA Württemberg, Härle (SPD), vom 6. 9. 1946. Vgl. zu den
Krankenkassen auch unten S. 241 ff.