1
Einleitung
Als der Vorsitzende des Verbandes der Ortskrankenkassen der französischen Zone
im Frühjahr 1949 bei einer trizonalen Tagung über die Entwicklung in seiner Zone
seit Kriegsende berichtete, zog er das Fazit, daß man bisher den Eindruck haben
konnte, als ob wir aus der Südwestecke Deutschlands in Vergessenheit geraten wären. 1
Damit charakterisierte er nicht nur zutreffend eine verbreitete Grundhaltung in den
ersten Jahren der Bundesrepublik, sondern unfreiwillig auch für lange Jahre den
Forschungsstand. Von wenigen Arbeiten abgesehen, ist die Forschung über den
deutschen Südwesten nach 1945 erst in den letzten Jahren in Gang gekommen —
nun allerdings mit einigen grundlegenden Werken, die es dem Institut für Europä
ische Geschichte erlaubten, 1981 in der Tradition seiner Tagungen zur Nachkriegs
geschichte auch für die französische Zone eine erste Bilanz zu ziehen. Seit 1985
folgten mehrere Tagungen, in deren Mittelpunkt die Diskussion mit Zeitzeugen
stand. 2 *
Auch neue Überblicksdarstellungen widmen der kleinsten der vier Besatzungszonen,
die noch bis vor kurzem in solchen Werken eher am Rande beachtet wurde, einen
etwas breiteren Raum. 1 Daß eine umfassende Geschichte der Zone noch nicht ge
schrieben werden kann, 4 liegt auch daran, daß nach wie vor wesentliche Teilbereiche
1 Manuskript einer Rede, die Karl Zapp vermutlich bei der Tagung der Vereinigung der
Ortskrankenkassenverbände in Beutelsbach bei Stuttgart am 6./7. 2. 1949 hielt, in Archiv
des Verbandes der Ortskrankenkassen (Südwest), Lahr, Altregistratur, Akte Neuordnung in
der KV; vgl. Tagungsbericht in: DOK31 (1949),S.97 f.
1 Scharf u. Schröder (Hg.), Die Deutschlandpolitik Frankreichs; siehe auch die vorange
gangenen Bände: dies. (Hg.), Politische und ökonomische Stabilisierung, sowie dies. (Hg.),
Die Deutschlandpolitik Großbritanniens. Beiträge und Diskussionen einer Tübinger Ta
gung im September 1985 wurden publiziert durch Knipping, Le Rider u. Mayer, die einer
Tagung im Institut frangais in Stuttgart in: Die französische Deutschlandpolitik; im Druck
sind die Beiträge einer Baden-Badener Tagung des Institut d'Histoire du Temps present
und des Deutschen Historischen Instituts Paris im Dezember 1986.
1 So Düwell, Entstehung; Klessmann; Eschenburg, Jahre der Besatzung; Morsey, Bun
desrepublik. Zu den Ausnahmen in früheren Werken gehört z. B. Alfred Grosser, L’Alle-
magne de notre temps, Paris 1970 (in der dt. Taschenbuchausgabe: Geschichte Deutsch
lands), der auch in seinen älteren Werken die französische Zone stärker einbezog.
Der Forschungsstand über die französische Zone wird im folgenden in einigen Grundzügen
skizziert, doch nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben. Siehe dazu die Forschungsberich
te von Gerhard Kiersch, Die französische Deutschlandpolitik 1945-1949, in: Scharf u.
Schröder (Hg.), Politische und ökonomische Stabilisierung, S. 61-76; Nüske, Literatur;
Hudemann, Französische Besatzungszone; Houll-Commun; umfangreiche Bibliographie
in Scharf u. Schröder (Hg.), Die Deutschlandpolitik Frankreichs, S. 272-315.
4 Nach wie vor ist Willis, The French, nützlich. Ein seltener länderübergreifender Versuch
ist: Thies u. von Daak. Zur politischen Entwicklung auf Länderebene siehe insbesondere:
Becker u. a., Badische Geschichte; Konstanzer, Die Entstehung; Sauer, Die Entstehung;
Gögler, Richter u. Müller (Hg.); Nüske, Württemberg-Hohenzollern; Schnabel; im
Rahmen des Territorien-Ploetz: Gönner u. Haselier; zum Saarland: Herrmann u. Sante;
Helmut Mathy, Bundesland Rheinland-Pfalz, in: Hf.yen (Hg.), Geschichte des Landes, S.
131-168; Springorum; Haungs (Hg.). Interessant v. a. durch die Zeugnisse der Zeitgenos
sen: Hillel.