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wende 1945/46, nach den Londoner und Washingtoner Verhandlungen, eine leichte
Entspannung abzeichnete, begann die Ost-West-Auseinandersetzung um die Repa
rationen den Zentralverwaltungskomplex zu überlagern und ließ die Wirtschaftsein
heit schließlich ohnehin scheitern.
In der Forschung wurde bislang wenig beachtet, daß erste Widerstände gegen Zen
tralverwaltungen in der praktischen Kontrollratsarbeit nicht von den Franzosen,
sondern den Sowjets ausgingen. Bereits Anfang September 1945 hatten diese, offen
sichtlich im Hinblick auf die in der SBZ angelaufene Bodenreform, die Einrichtung
einer deutschen Zentralverwaltung für Landwirtschaft und Ernährung abgelehnt. 64
Die Franzosen folgten am 22. September mit ihrem Vorschlag, für die kriegswichti
gen Eisenbahnen statt einer deutschen Zentralverwaltung regional organisierte, un
abhängige Bahnen mit einer lediglich der Koordinierung dienenden Zentrale einzu
richten. Zugleich akzeptierte Frankreich eine zentrale Organisation der ein geringe
res war potential repräsentierenden Nachrichtenverbindungen und der Post sowie
ein zentrales Statistisches Amt, das aber strictly controlled werden müsse. 65 Sofort zu
Beginn der Veto-Politik wurde damit die im August angekündigte Unterscheidung
von französischer Seite praktiziert: kein grundsätzliches Veto gegen die Wirtschafts
einheit und zentrale Verwaltungen, aber gegen deutsche zentrale Verwaltungsbefug
nisse und gegen politisch oder sicherheitspolitisch relevante Präjudizierungen.
Den amerikanischen Berichten zufolge ging Clay auf die hier angelegten Kompro
mißvorschläge nicht ein, sondern bezeichnete den in der Folge auch in den anderen
Zentralverwaltungsfragen vertretenen Standpunkt ohne weitere gemeinsame Prü
fung als nicht durchführbar: if Control Commission can not establish central machi-
nery, it can not govern Germany, 66
Nach dem Abbruch der Londoner Konferenz versteifte sich die französische
Haltung insofern, als nunmehr unter den oben genannten Argumenten das von
de Gaulle betonte Junktim der Zentralverwaltungen mit der Abtrennung von Ruhr
gebiet und Rheinland immer schärfer in den Vordergrund trat. Am 1. Oktober 1945
gab General Koenig im Kontrollrat seine berühmt gewordene Erklärung ab, er sei zu
keinerlei Maßnahmen autorisiert, welche die Zukunft des rheinland-westfälischen
Gebietes präjudizierten, solange über die französischen Memoranden von August/
September nicht auf Regierungsebene entschieden sei; die geplanten Zentralverwal- * 69
Im Ernährungs- und Landwirtschaftsausschuß des Kontrollrats; Murphy an Byrnes, 11. 9.
1945, FRUS 1945 Bd. 3, S. 868 f.
Murphy an Byrnes, 23. 9. 1945, über Koordinationskomitee am 22. 9., sowie CORC/P (45)
69, 19.9. 1945, in FRUS 1945 Bd. 3, S. 871 ff., und CONL/P(45)42,28. 9. 1945,ebd.,S. 841 f.
Französische Darstellung in Bulletin d’activite du CCFA, Sept. 1945, S. 20. Vgl. Clay an War
Department, 24. 9. 1945; Clay Papers, Bd. 1, S. 84, und Clay, Entscheidung, S. 128 ff. Als
Beispiel für die Interpretation solcher französischer Vorschläge vgl, Bäcker, Die deutschen
Jahre, S. 109: „Noch energischer widersetzte sich Koeltz dem britisch-amerikanisch-sowjeti
schen Plan, eine zentrale Transportbehörde einzusetzen.“ — Zur Transportagentur s. Be
schluß des Comite interministeriel am 25. 9. 1945 (Document No. 19), in dem u. a. auf die
Resistance-Erfahrung mit der Eisenbahn-Sabotage gegen die deutsche Besatzung während
des Krieges verwiesen wurde; AN F 60/3034/2.
Murphy ebd. Vgl. dazu auch Bäcker, Die deutschen Jahre, S. 108 ff.