Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

11 % der Patienten. 18 Schul- und Betriebsuntersuchungen in der Region erbrachten 
ähnliche Ergebnisse, und 1947 verschlechterten sich auch die von dem badischen 
Landesgewerbearzt Mager nach seinen regelmäßigen Betriebsbesichtigungen ange 
gebenen Werte deutlich. 19 Die Villinger Daten erscheinen nach den Berichten Ma- 
gers im Trend repräsentativ. Der Gesamtbefund wird ebenso bestätigt durch den 
Anstieg von zwar wiederum auch durch andere Faktoren beeinflußten, aber für 
Ernährungsdefizite besonders typischen Mangelkrankheiten wie der Tuberkulose. 40 
Auch wenn man angesichts der vielfältigen methodischen Schwierigkeiten genaue 
Quantifizierungen auf der Basis dieser Daten nicht vornehmen will, so ist insgesamt 
doch deutlich, daß zwar ein guter Teil der Bevölkerung - Rothenberger schätzt ihn 
auf ein Drittel - von der Ernährungskrise nicht betroffen wurde, daß andererseits 
weite Teile der Bevölkerung aber so wenig zu essen erhielten, daß die Körpersub 
stanz zum Ausgleich eingesetzt wurde. Rechnet man entsprechend den Ergebnissen 
des Max-Planck-Instituts für Arbeitsphysiologie hinzu, daß Gewichtsabnahmen nur 
einen Teil des Nahrungsdefizits widerspiegeln und ein vermutlich noch größerer Teil 
sich in sinkender Arbeitsproduktivität niederschlug, so wird deutlich, daß die oben 
als normales „Existenzminimum“ zugrunde gelegten Werte von 1 670 Kalorien für 
Männer und 1 465 Kalorien für Frauen während längerer Zeiten in der tatsächlichen, 
also legale und illegale Versorgungsmöglichkeiten erfassenden Ernährung für Teile 
der Bevölkerung erheblich unterschritten wurden. 
Dies führt zurück zu der Frage nach dem Volumen paralleler Versorgung. Der 
Trennung von legalem und illegalem Anteil in der tatsächlichen Versorgung ist 
zunächst durch die Berechnung der offiziellen Bedarfsdeckung im Vergleich zum 
Normbedarf einen Schritt näherzukommen. Für die Zeit von November 1945 bis 
Juni 1946 belief sie sich in der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau und den Städten 
Trier und Landau gruppenspezifisch auf folgende Werte: 
Tabelle 7 Anteilige Ernährungs-Normbedarfsdeckung durch die offiziel 
len Rationen im Norden der französischen Zone November 
1945-Juni 1946 
Kalorien 
Deckung des 
Bedarfs in % 
Säuglinge 
(Sgl = 0-1 Jahr) 
970 
135 
Kleinkinder 
(Kl = 1-3 Jahre) 
970 
80 
Kinder 
(K 2 = 3-6 Jahre) 
1 000 
65 
Jugendliche 
(J 1 = 6-10 Jahre) 
950 
50 
Jugendliche männl. 
(J 2 = 10-18 Jahre) 
1 030 
30 
Jugendliche weibl. 
(J 2 = 10-18 Jahre) 
1 030 
40 
Erwachsene männl. 
(E) 
1 040 
40 
Erwachsene weibl. 
(E) 
1 040 
50 
Zulagenstufe I 
(S I) 
1 350 
50 
Zulagenstufe II 
(S II) 
1 600 
50 
Schwangere und Stillende 
(MÜ) 
1 500 
50 
Quelle: ROTHENBERGER, Hungerjahre, S. 122. 
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