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Die Beispiele in Tabelle 6 zeigen die Vielfalt der Tauschverhältnisse. Kleider
und Schuhe bei der Stadtbevölkerung, Lebensmittel auf dem Land waren schon 1945
der Regelfall der Angebotsstruktur. Dieses Grundraster blieb über die ganze Beob
achtungszeit erhalten, differenzierte und erweiterte sich allerdings. Schon Mitte 1946
waren auch Radios, Fahrräder, Nähmaschinen, Herde und Handwerkszeug beson
ders stark im Tausch gesucht, obwohl hierfür keine genauen Tauschrelationen vor
liegen. Ab Herbst 1946 gewannen im Süden Badens, an der Grenze zur Schweiz,
Uhren und Schmuck an Bedeutung, im Norden, an der Grenze zur amerikanischen
Zone, Tabakerzeugnisse und Zigarettenpapier. Zum Winter hin, der 1946/47 beson
ders hart werden sollte, verstärkte sich saisongemäß die Suche nach warmer Klei
dung. Zugleich begann sich der Schwund an privater Reichsmarkliquidität insofern
auszuwirken, als jetzt verstärkt private Wertgegenstände veräußert wurden. Dabei
steigerte sich zwar weniger bei den mißtrauischen Bauern, aber in den Städten ab
Ende 1946 zeitweise wieder das Interesse an Bargeld, das auf dem Schwarzen Markt
knapper wurde. 94 Die Tauschgeschäfte wurden nun auch immer vielfältiger, man
tauschte zunehmend nicht nur etwa Brot gegen Zigaretten, sondern eine größere
Zahl verschiedener Waren etwa gegen ein Kleinauto oder gegen Obst. Manche
Beispiele zeigen, daß Kleiderschränke auf alle nicht unbedingt notwendigen Klei
dungsstücke hin durchgegangen wurden. Schuhe, deren Mangel immer wieder Ge
genstand parlamentarischer Anfragen und Beschwerden war, spielten eine große
Rolle. Im Verlauf des Jahres 1947 wurden auch die Angebote an Kaninchen häu
figer, auf deren Aufzucht sich die verschiedensten Bevölkerungsgruppen verlegt
hatten. 95 96
Von einigen größeren, z. T. schon dem gewerblichen Kompensationshandel zuzu
rechnenden Fällen abgesehen, waren aber auch hier die dem privaten Verbraucher
zugänglichen Mengen klein. Rothenberger errechnete für Rheinland-Pfalz, daß der
„kleine Hamsterer... im Winter 1946/47 durchschnittlich 5-6 kg Mehl, seltener
1 Pfund Butter oder Speck und manchmal noch geringe Mengen an Raps, öl,
Rauchfleisch oder Hülsenfrüchten“ heimbrachte. 99 Den badischen Angaben zufolge
spielten daneben auch Alkoholika und Tabak eine erhebliche Rolle.
Zu wenig deutlich wird in Tabelle 6, daß auch Dienstleistungen immer häufiger
gegen Naturalien zu erhalten waren. Kosteten etwa Schuhreparaturen, Studenten
zimmer oder auch Fahrkarten für Verkehrsmittel schon 1945 Schwarzmarktpreise, 97
so wurden ab 1946 in zunehmendem Maße auch andere handwerkliche Leistungen
nur noch gegen Naturallohn oder Gegenleistungen erbracht. 98 Damit stellte auch das
Handwerk sich mehr und mehr auf die in der Industrie längst üblichen Kompensa
tionslöhne ein.
94 Vgl. Schwarzmarktbericht Dezember 1946 und allgemein Tabelle 5, oben S. 93.
95 Vgl. auch die lebendige Schilderung individueller Beispiele bei Rothenberger, Hungerjah
re, S. 132 ff. Kaninchen waren auch in anderen Zonen besonders gesucht und wurden z. B. in
Bayern um 1947 „schwarz“ mit 80-100 RM bewertet, ein Kalb dagegen nur mit 60-70 RM;
Aderbauer, S. 62.
96 Rothenberger, Hungerjahre, S. 132.
91 Preisangaben in Schwarzmarktberichten 1945 sowie in Liste vom 11. 12. 1945 in StA FR A 7
(1956/5) Ala.
98 Vgl. qualitative Angaben in den laufenden Schwarzmarktberichten, z. B. Dezember 1946.