Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Die Beispiele in Tabelle 6 zeigen die Vielfalt der Tauschverhältnisse. Kleider 
und Schuhe bei der Stadtbevölkerung, Lebensmittel auf dem Land waren schon 1945 
der Regelfall der Angebotsstruktur. Dieses Grundraster blieb über die ganze Beob 
achtungszeit erhalten, differenzierte und erweiterte sich allerdings. Schon Mitte 1946 
waren auch Radios, Fahrräder, Nähmaschinen, Herde und Handwerkszeug beson 
ders stark im Tausch gesucht, obwohl hierfür keine genauen Tauschrelationen vor 
liegen. Ab Herbst 1946 gewannen im Süden Badens, an der Grenze zur Schweiz, 
Uhren und Schmuck an Bedeutung, im Norden, an der Grenze zur amerikanischen 
Zone, Tabakerzeugnisse und Zigarettenpapier. Zum Winter hin, der 1946/47 beson 
ders hart werden sollte, verstärkte sich saisongemäß die Suche nach warmer Klei 
dung. Zugleich begann sich der Schwund an privater Reichsmarkliquidität insofern 
auszuwirken, als jetzt verstärkt private Wertgegenstände veräußert wurden. Dabei 
steigerte sich zwar weniger bei den mißtrauischen Bauern, aber in den Städten ab 
Ende 1946 zeitweise wieder das Interesse an Bargeld, das auf dem Schwarzen Markt 
knapper wurde. 94 Die Tauschgeschäfte wurden nun auch immer vielfältiger, man 
tauschte zunehmend nicht nur etwa Brot gegen Zigaretten, sondern eine größere 
Zahl verschiedener Waren etwa gegen ein Kleinauto oder gegen Obst. Manche 
Beispiele zeigen, daß Kleiderschränke auf alle nicht unbedingt notwendigen Klei 
dungsstücke hin durchgegangen wurden. Schuhe, deren Mangel immer wieder Ge 
genstand parlamentarischer Anfragen und Beschwerden war, spielten eine große 
Rolle. Im Verlauf des Jahres 1947 wurden auch die Angebote an Kaninchen häu 
figer, auf deren Aufzucht sich die verschiedensten Bevölkerungsgruppen verlegt 
hatten. 95 96 
Von einigen größeren, z. T. schon dem gewerblichen Kompensationshandel zuzu 
rechnenden Fällen abgesehen, waren aber auch hier die dem privaten Verbraucher 
zugänglichen Mengen klein. Rothenberger errechnete für Rheinland-Pfalz, daß der 
„kleine Hamsterer... im Winter 1946/47 durchschnittlich 5-6 kg Mehl, seltener 
1 Pfund Butter oder Speck und manchmal noch geringe Mengen an Raps, öl, 
Rauchfleisch oder Hülsenfrüchten“ heimbrachte. 99 Den badischen Angaben zufolge 
spielten daneben auch Alkoholika und Tabak eine erhebliche Rolle. 
Zu wenig deutlich wird in Tabelle 6, daß auch Dienstleistungen immer häufiger 
gegen Naturalien zu erhalten waren. Kosteten etwa Schuhreparaturen, Studenten 
zimmer oder auch Fahrkarten für Verkehrsmittel schon 1945 Schwarzmarktpreise, 97 
so wurden ab 1946 in zunehmendem Maße auch andere handwerkliche Leistungen 
nur noch gegen Naturallohn oder Gegenleistungen erbracht. 98 Damit stellte auch das 
Handwerk sich mehr und mehr auf die in der Industrie längst üblichen Kompensa 
tionslöhne ein. 
94 Vgl. Schwarzmarktbericht Dezember 1946 und allgemein Tabelle 5, oben S. 93. 
95 Vgl. auch die lebendige Schilderung individueller Beispiele bei Rothenberger, Hungerjah 
re, S. 132 ff. Kaninchen waren auch in anderen Zonen besonders gesucht und wurden z. B. in 
Bayern um 1947 „schwarz“ mit 80-100 RM bewertet, ein Kalb dagegen nur mit 60-70 RM; 
Aderbauer, S. 62. 
96 Rothenberger, Hungerjahre, S. 132. 
91 Preisangaben in Schwarzmarktberichten 1945 sowie in Liste vom 11. 12. 1945 in StA FR A 7 
(1956/5) Ala. 
98 Vgl. qualitative Angaben in den laufenden Schwarzmarktberichten, z. B. Dezember 1946.
	        
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