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bei J. Sch. an. Wir wissen, daß die Meistersinger7) keine
Grenze bezüglich der Strophenzahl eines Gedichts bezw. der
Verszahl einer Strophe kennen. J. Sch. hat nun, wie schon
oben erwähnt, Gedichte mit 5—17 Strophen, Strophen mit
14—34 Versen; er hält sich also auf einer guten Mittellinie.
— Besteht bei ihm aber auch immer ein gutes Verhältnis zwi¬
schen Einleitung, Hauptteil und Schluß des Gedichtes? 'Eine
Einleitung pflegt im Gegensatz zum Schluß bei den Meister¬
singern meist zu fehlen. Bei J. Sch. fehlt sie nur in 'V (Quel¬
lenangabe statt dessen am Schluß), in VII (wo das Gedicht
gleich sehr lebhaft mit dem Thema von „der hoffart von den
pauren“ einsetzt), in IX (fortlaufende Erzählung der biblischen
Geschichte; zu einem Zyklus gehörig?) und, wenn man will,
auch in nr. VIII, wenn man nicht besser Strophe 1 (Auffor¬
derung zur Abkehr vom Bösen, zur Reue, Gebet zu Gott) ins¬
gesamt als Einleitung betrachtet. Im übrigen aber (besonders
in I, III, V, VII, X) ist die äußere Einteilung und das Verhält¬
nis der Unterteile zueinander mustergültig. Selbst die Einlei¬
tung ist oft noch gegliedert, besonders gut z. B. in II und III.
Ein Schluß, der meist die ¡Moral enthält, fehlt nu’r in dem
Marienlied (nr. VIII), eigentlich auch in VII (da ich die Aus¬
deutung der Fabel nicht als Schluß auffassen möchte) und in
V (hier allerdings aus demselben Grunde, aus dem auch keine
Einleitung vorhergeht). Sonst aber finden sich überall Schlüs¬
se, und zwar in dem Umfange von 3 Zeilen (in X) bis zu ei¬
ner (14 zeitigen) Strophe (in I, II, III, IV), evt. noch über eine
Strophe hinausgreifend (+ 1 Zeile, in IX). — Was die Wah¬
rung der Stropheneinheit bei unserm Dichter 'anbetrifft, so
ergibt sich schon aus dem eben Gesagten, daß sfe vorhanden
ist bei den Schlüssen von I, II, III (evt. auch IV und IX), denn
die Betrachtung beginnt hier immer direkt mit der letzten
Strophe; die pointierte Schluß/nord beginnt aber meist erst
mit dem Abgesang. Bei VI und X ist dagegen sogar der Ab¬
gesang zerrissen, der Schluß steht erst im Stoßenten des Ab¬
gesangs; in XI beginnt die spezielle Lehre mit dem Abgesang,
der Schluß wohl schon mit dem 2. Stollen des Aufgesangs.
7) Vergh zum folgenden R. Weber a. a. O. S. 63 ff.