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„kumpt ainr, er sey baur oder mair
bringt er rock, mantel oder schlair
so ¡eich im trauf . . . kein halbes gelt . .
Unter den Städtern beschäftigt sich J. Sch. hauptsächlich
mit den 'KaufteUten und Händlern. Den Kaufleuten wirft er
die stündliche Sünde wider das 2. Gebot vor; sie leisten ohne
Bedenken Meineide und lästern Gott, um nur ihre* Waren
loszuschlagen; sie schwören und nehmen Gottes Namen un¬
nütz in den Mund, sei es auch nur um eines so wertlosen
Objektes willen wie einer Birne. Der schlichte Mensch, der
dem Kaufmann und seinen Schwüren traut, wird hart däfür
büßen; bissig, aber mit einem gewissen Humor17) bemerkt un¬
ser Dichter (II.j):
„Roßtäuscher, kremer, tuchleüt sind werde
sie treiben kein geferde
daran setz ich mein hab
— wen ich ir gern körn ab“.
Dem bloß unproduktiven Handel und dem ausbeutenden
Kapitalismus reißt er in IV die Maske vom Gesicht und legt
den Finger auf schlimme Schäden wie den wucherischen Auf¬
kauf, die Bodenspekulation, den Betrug (speziell beim Pferde¬
kauf), den Zinswucher, die zu kurzfristige Pfand,leihe usw. —
So ergibt sich schon bis hierher eine solche Schilderung von
der Welt und ihrem Treiben, daß man darüber wohl wirklich
als Motto das J. Schi bersche Wort setzen könnte:
„Die weit ist aller vntrew vol“ (II16)18).
Und insofern er dieses Thema zum Hauptgegenstand seines
Dichtens macht und immer wieder variiert und eindringlich
mahnend seinen Zeitgenossen vor Augen stellt, insofern bringt
er auch stofflich Neues und bleibt nicht bloßer Nachahmer;
1?) A- Dreyer a. a. O. S. 340 sagt: „Seine große Beliebtheit
bei den späteren Meistersängern verdankt er (J. Sch.) in erster Li¬
nie wohl seinen leichtgeschürzten, sangbaren Tönen, dianm aber
auch nicht zum mindesten seinem mitunter derben, doch immer nac
turwahren, ungekünstelten Humor“ uod bezieht sich dafür auf das
Gedicht nr. X. Ich möchte lieber auf Stellen wie oben hinweisen.
18) Vergl. A. Dreyer a. a- 0. S. 340.