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scheint dann unter dem ,,Versassernamen" des Bearbeiters
im Druck und wird von ihm auf der entsprechenden Bühne»
die die Bearbeitung veranlaßte» gespielt. Für die Auf¬
führung ist damit die Uebereinstimmung von Drucktext und
Spieltext wieder gesichert.
Ls ist bisher immer als selbstverständliche Voraussetzung
angenommen worden, daß sich die Bühnenvorstellung des
Dichters, die Bühnensorm» die er seinem Stück zugrundelegt,
unmittelbar aus dem Text ablesen läßt, obwohl in den früheren
Jahrzehnten des 16. Ih. fast ohne Ausnahme szenische An¬
gaben fehlen, die etwas über den Bau der Bühne aussagen.
Das erklärt sich aus der Gewohnheit, daß jeder Dichter zuerst
selbst eine Ausführung seines Stückes veranstaltete; er brauchte
für sich selbst keine näheren Angaben zu machen. Wie verhält
er sich aber zu dieser Frage, wenn das Stück auch no.ch 'an
anderer Stelle aufgeführt werden soll? Daß der Verfasser
mit dieser Möglichkeit rechnet, wird in dem Augenblick zur
Gewißheit, in dem er einen Druck seines Stückes veranstaltet.
Wenn er es auch dann nicht für nötig gehalten hat, seine
Bühnenvorstellung in besonderen Angaben mitzuteilen, obwohl
er doch wissen mußte, wieviel Bühnenmöglichkeiten jedem, der
das Stück wiederaufführen wollte, zur Verfügung standen,
so imuß man annehmen, daß er seine Absichten im Text deut¬
lich genug ausgedrückt glaubte, um von anderen verstanden
werden zu können. Er mußte damit rechnen können, daß seine
Zeitgenossen imstande waren, bestimmte dramaturgische Formu¬
lierungen mit bestimmten Bühneneinrichtungen in Verbindung
zu bringen.
Für die Rekonstruktion ist es daher von größter Wichtig¬
keit, solche indirekten Angaben herauszufinden, und es muß
versucht werden, aus dem Vergleich einer Reihe von Texten,
die unter den gleichen Bedingungen zur Aufführung gekommen
sind, derartige dramaturgische Besonderheiten aufzufinden und
sie in Verbindung mit bestimmten Bühnenmöglichkeiten zu
setzen.
Ls ergibt sich also aus dem einzelnen Text die Haupt¬
klassifizierung des Bühnentyps, aus der zusammenfassenden
Betrachtung mehrerer zusammengehöriger Texte die Fixierung
besonders charakteristischer Merkmale dieser Linzelbühne.
2. Rau m.
Einer wirklichen Rekonstruktion wird man aber nur dann
näherkommen können, wenn es gelingt, die so festgelegten Be¬
standteile der Bühne mit dem Raum, in dem die Aufführungen
veranstaltet wurden, in Zusammenhang zu bringen.