Full text: Augsburger Schultheater unter Sixt Birck

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ihm wohl meist Birck selbst gab. Damit sind aber die beiden 
Angaben, auf die die Hypothese von Bircks Verfasserschaft der 
anonymen Tragedy sich stützt, auf eine einzige Quelle zurück¬ 
geführt: das ist Birck selbst. Ls spricht sonst nichts dafür, daß 
er das später Beel genannte Stück wirklich in Basel verfaßte. 
Läßt man erst einmal die Möglichkeit eines Plagiats gelten, 
so finden sich gleich eine Anzahl schwerwiegender Gründe, die 
für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen. Nicht nur das 
Formale des Stückes und die ungewöhnlich scharfe anti-katho¬ 
lische Polemik, sondern vor allem die zugrundeliegende Bühnen¬ 
vorstellung stehen im schroffen Gegensatz zu Bircks Anschauung: 
die Tragedy ist das einzige von allen bisher betrachteten 
Stücken, das die Darstellung eines Innenraums erfordert: das 
Götzenbild steht im Tempel, der König und Daniel verschließen 
diesen, dann dringen die Priester durch einen geheimen Gang 
in den verschlossenen Raum ein. Die Bühnenanweisungen hei¬ 
ßen innerhalb der gleichen Szene wechselnd: im tempel, vor 
dem tempel. 
Zu der Behauptung, daß diese Anordnung gegen Birck 
spricht, könnte man einwenden, daß er schon einmal unter 
Bullingers Einfluß seine Bühnenvorstellung änderte. Der 
bühnentechnische Abstand zwischen Ezechias und Susanna einer¬ 
seits und zwischen Susanna oder Joseph und der Tragedy 
andrerseits bezieht sich jedoch auf ganz wesentlich verschiedene 
Dinge. Wenn Birck nach Bullingers Vorbild die einzelnen 
Schauplätze auseinanderzieht, so hat diese Anordnung gewiß 
Aehnlichkeit mit der mittelalterlichen Simultanbühne; jeder 
einzelne dieser Schauplätze aber ist eine Bühne im Renaissance- 
Sinn. Der Tempel in der Tragedy, dem übrigens höchst 
wahrscheinlich noch eine ,,Pfaltz" des Königs entsprach, ist ein 
rein mittelalterliches Bühnenrequisit^, ein praktikables Ge¬ 
bäude, das später vor den Augen der Zuschauer von den Werk¬ 
meistern abgetragen wird, während man sich sowohl die Lucre- 
tia wie die Susanna und Judith vor einem Vorhang gespielt 
denken könnte. Und nicht nur rein äußerlich ist die 
Bühneneinrichtung verändert, sondern es zeigt sich, daß hinter 
dem Ganzen eine bestimmte Auffassung vom Wesen des Thea- 
38. Diese altertümliche Form erfreute sich auch an anderen Orten 
der Schweiz noch lange großer Beliebtheit: der Züricher Jörg Binder, 
der 1535 den Acolast des Gnapheus bearbeitet verkennt dessen Buhnenform 
vollständig und bringt in seinem eigenen Nachspiel ein Haus, in dessen 
Jnnenraum und vor dessen Tür gleichzeitig gespielt wird. — Schmidt 
S. 157 führt den Beeltempel zum Beweis dafür an, daß B.'s Bühnenein¬ 
richtung auch in der Augsburger Zeit „immer etwas Mysterienhastes" 
behielt. 
-j
	        
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