Full text: Augsburger Schultheater unter Sixt Birck

Dìe Ähnlichkeit läßt sich aber vor allem in der Behand¬ 
lung des Stoffes und der Art der Charakterisierung weiter¬ 
verfolgen: die erste Szene macht mit dem Gegenspiel bekannt, 
danach erst wird die Heldin eingeführt; der Reberfall ge¬ 
schieht, Gatte und Vater der Heldin werden einbezogen, schlie߬ 
lich führt die Handlung von den privaten Szenen zur großen 
Ratsversammlung, zur parlamentarischen Aktion, und die Ver¬ 
nichtung der Feinde bildet den wirksamen Schluß. Unab¬ 
hängig vom Vorbild erweitert Birck die Handlung durch 
Kinderszenen, die neben ihrer theatralischen Wirksamkeit wohl 
noch die besondere Aufgabe hatten, seinen jungen Schülern in 
der Volksaufführung eine Spielgelegenheit zu geben. 
Wichtiger aber als alle Einzelzüge ist die Angleichung der 
Bühnenform. Birck übernimmt Bullingers Bühnenvorstellung, 
das Nebeneinander der Schauplätze, das sich im wesentlichen 
nur durch Einführung eines rückwärtigen Abschlusses von der 
mittelalterlichen Bühne des geistlichen Spiels unterscheidet. Wie 
auf der einen Seite das Haus, richtiger — denn Bullinger ver¬ 
meidet InnenraumszeneiM — die Haustür der Lucretia sich 
befindet, auf der anderen das Feldlager der Römer, so ist auch 
der Garten der Susanna vom Platz der Gerichtsverhandlung 
getrennt. Die Einheit des Ortes ist aufgegeben. Entscheidend 
ist dabei die Stoffwahl: Birck muß seinem Publikum zuliebe 
eine bewegtere Handlung darstellen und ist nicht imstande, 
das mit der Bühne seiner ersten Aufführungen zusammenzu¬ 
bringen. Die Einzelbühne entspricht in seiner Vorstellung 
einem einzelnen, einzigen Ort, sie ist nicht neutraler Raum, 
der durch das Spiel in beliebig viele verschiedene Orte gewan¬ 
delt wird. 
Auf eine Errungenschaft seiner ersten Versuche ver¬ 
zichtet Birck aber doch nicht: das ist die Gliederung durch Chöre, 
die Bullinger nicht kennt. Dieser teilt sein Spiel in zwei 
Akte, d. h. er trennt das Lucretia-Drama vom Brutus-Drama 
Bei der theatralischen Bedeutung, die die Chöre in Bircks 
Stücken haben, beweist das, wie er trotz allem Nachgeben in 
Richtung des Volksmäßigen und trotz Mangel an tiefstem Ve^ 
ständnis für das Wesen der neuen Bühne eine modernere 
Anschauung vom Theatralischen hat. 
Das bestätigt sich in den Dramen der beiden nächstes 
Jahre, in Joseph und Judiths, die wieder beide für Bürger- 
32. Burckhardt S. 191, übersieht, daß die Worte der Lucretia: 
„Nun gond herhn. .Szenenschluß, Abgang, Beginn der verdeckten Hand¬ 
lung bedeuten. 
"33. Creizenach Bd. Ili S. 237 f.
	        
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