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stellt sich über alles Zufällige und Willkürliche hinaus das
Erlebnis einer ganzen Generation dar, das Bekenntnis zu einer
neuen Zeit. Dahinter steht die Erkenntnis, daß es nicht mehr
nur aus die unsterbliche Seele ankommt, daß schon der lebende
Mensch wichtig ist, das Denken, das Wissen, der Geist, der
sich jahrhundertelang nur in den engen Grenzen bewegen
durfte, die die Kixche ihm vorschrieb. Erst als diese Fessel
gesprengt war, als sich die unbedingte Herrschaft der Kirche
überlebt hatte, konnten gewaltige Kräfte freiwerden, die nun
Form zu gewinnen suchten. Im Süden nahmen sie bald in der
politischen, in der künstlerischen Leistung feste Gestalt an, im
Norden blieb alles länger im Fluß. Das, was wir Renaissance
nennen, ist im Süden Ausgleich, Beruhigung. Im Norden
Lst es Auflösung und Kampf: alles wird mit in den Wirbel
hineingezogen, selbst die Religionslehre, bis dahin feste Grund¬
lage alles Seins, angegriffen und neugestaltet. Und das ist
der Grund, warum jeder einzelne Stellung nehmen, sich ent¬
scheiden must. War der Humanismus Angelegenheit weniger
Auserwählter gewesen, so wird jetzt durch die Tat der Refor¬
mation die Wandlung des Mittelalters zur Neuzeit mitten im
Volk vollzogen. Daß die deutsche Renaissance sowohl den
exklusiv gesinnten Humanismus wie die demokratisch gerichtete
Reformation umfaßt, hat zur Folge, daß sie nicht — wie in
Italien — als Zustand, sondern als Bewegung, als in sich
bewegt, gesehen werden muß. Wenn man sich vielfach ver¬
leiten liest, die Existenz einer Deutschen Renaissance in Geistes-
und Stilgeschichte abzuleugnen, so lag das daran, daß man die
italienische Renaissance zum Maßstab nahm. Der Begriff ist
aber nicht eindeutig zu fassen, sondern nur aus einer doppelten
Antithese heraus zu verstehen: Mittelalter — Neuzeit, das ist
das historische Problem, Humanismus — Reformation das
ideelle. Das alles überschneidet sich, und aus den vielfältigen
Beziehungen und Wechselwirkungen, die oft unvereinbare
Widersprüche scheinen, wächst als Einheit Gesicht und Gehalt
dieser Zeit.
Stand die erste Jugendzeit Bircks im Zeichen der Ausein¬
andersetzung: Mittelalter und Neuzeit, so tritt seit den Univer-
sitätsjahren, vielleicht schon seit der Bekanntschaft mit Matthäus
Pappenheim, das Problem: Humanismus und Reformation in
den Vordergrund. Der Wendepunkt ist Basel, der äußere
Einschnitt der Uebergang aus der Welt der Universität und
der Druckerwerkstatt in den Dienst der Schule, einer Schule,
die im Kampf dieser Zeit zugleich Waffe und Kampfpreis ist.
Der Humanismus, der das Gymnasium neugründete und ihm