Full text: Zur Entwicklung und Bedeutung des deutschen Meistergesangs im 15. und 16. Jahrhundert

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Greif. In dem Festspiel) erringt, wie in Wagners Drama, ein 
jugendlich-begeisterter Länger den Beifall der anfänglich wider¬ 
strebenden Meister; das Kolorit, das wieder dem Wagenseilfchen 
Buch entstammt, ist noch getreuer gewahrt als bei Wagner, nur 
die Lieder sind ganz unhistorisch. Wagners Einfluß ist überall, 
selbst in Einzelheiten, deutlich zu erkennen. 
Ungleich wertvoller ist Greifs Drama „Hans Lachs", 
dem schon 1866 ein gleichnamiges, aber weit schwächeres Ltück 
(veröffentlicht unter des Dichtes bürgerlichem Namen Hermann 
'Zrep) voraufgegangen war. Abgesehen von der Liebesgeschichte 
sind die historischen Tatsachen treu verwertet. Lachs bemüht 
sich um Hebung und Einigung der Nürnberger Lchule, wird aber 
bekämpft. Der junge pogner wird für ein mittelmäßiges Lied ge¬ 
krönt, Sachs verfingt mit einem polemischen, wird bestraft und 
verläßt seine undankbare Vaterstadt. Um Lchluß erhält er 
Kunigundens Hand und wird von der Bürgerschaft in Ehren auf¬ 
genommen. Der junge Held, auf den der Dichter Ereignisse aus 
des historischen Lachs Leben in freier zeitlicher Zusammenstellung 
übertragen hat und der plastisch vor unseren Bugen steht, ist 
Wagners Lachs als Jünglings; aber auch die übrigen Meister 
sind nicht bloße Statisten, sondern lebendige Menschen. 
In all diesen Dramen diente der Meistergesang als Mittel 
zum Zwecke der Charakterisierung des Helden. Erst Wagners 
dramatischer Genius hat auf der Grundlage seiner neuen Kunst¬ 
form den Meistergesang als Kollektiverscheinung dramatisch ge¬ 
staltet, hat das Neben- und Gegeneinander von Individuum und 
Masse und ihren Zusammenschluß zu einer höheren Einheit in 
großartiger Durchführung dargestellt. 
Wagners „Meistersinger", die wie „parsisal" und der „Ning" 
eine mehr als zwanzigjährige Entstehungsgeschichte haben, waren 
ursprünglich als Satyrspiel zum „Tannhäuser" gedacht, der ja 
auch einen Längerstreit um die Hand eines Mädchens zum Ge¬ 
genstand hatte. Aber die polemisch-ironische Grundstimmung des 
Dichters nach Vollendung des „Tannhäuser" hätte damals einen 
') Emil A. Gutjahr u. Fdr. flfcolf Geißler, £). Sachs i. Leipzig, 
Festspiel i. 2 Aufzügen, Lpz. 1894. 
2) B a d e r a d t a. a. V. 5. 63 ff.
	        
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