— 78 —
Greif. In dem Festspiel) erringt, wie in Wagners Drama, ein
jugendlich-begeisterter Länger den Beifall der anfänglich wider¬
strebenden Meister; das Kolorit, das wieder dem Wagenseilfchen
Buch entstammt, ist noch getreuer gewahrt als bei Wagner, nur
die Lieder sind ganz unhistorisch. Wagners Einfluß ist überall,
selbst in Einzelheiten, deutlich zu erkennen.
Ungleich wertvoller ist Greifs Drama „Hans Lachs",
dem schon 1866 ein gleichnamiges, aber weit schwächeres Ltück
(veröffentlicht unter des Dichtes bürgerlichem Namen Hermann
'Zrep) voraufgegangen war. Abgesehen von der Liebesgeschichte
sind die historischen Tatsachen treu verwertet. Lachs bemüht
sich um Hebung und Einigung der Nürnberger Lchule, wird aber
bekämpft. Der junge pogner wird für ein mittelmäßiges Lied ge¬
krönt, Sachs verfingt mit einem polemischen, wird bestraft und
verläßt seine undankbare Vaterstadt. Um Lchluß erhält er
Kunigundens Hand und wird von der Bürgerschaft in Ehren auf¬
genommen. Der junge Held, auf den der Dichter Ereignisse aus
des historischen Lachs Leben in freier zeitlicher Zusammenstellung
übertragen hat und der plastisch vor unseren Bugen steht, ist
Wagners Lachs als Jünglings; aber auch die übrigen Meister
sind nicht bloße Statisten, sondern lebendige Menschen.
In all diesen Dramen diente der Meistergesang als Mittel
zum Zwecke der Charakterisierung des Helden. Erst Wagners
dramatischer Genius hat auf der Grundlage seiner neuen Kunst¬
form den Meistergesang als Kollektiverscheinung dramatisch ge¬
staltet, hat das Neben- und Gegeneinander von Individuum und
Masse und ihren Zusammenschluß zu einer höheren Einheit in
großartiger Durchführung dargestellt.
Wagners „Meistersinger", die wie „parsisal" und der „Ning"
eine mehr als zwanzigjährige Entstehungsgeschichte haben, waren
ursprünglich als Satyrspiel zum „Tannhäuser" gedacht, der ja
auch einen Längerstreit um die Hand eines Mädchens zum Ge¬
genstand hatte. Aber die polemisch-ironische Grundstimmung des
Dichters nach Vollendung des „Tannhäuser" hätte damals einen
') Emil A. Gutjahr u. Fdr. flfcolf Geißler, £). Sachs i. Leipzig,
Festspiel i. 2 Aufzügen, Lpz. 1894.
2) B a d e r a d t a. a. V. 5. 63 ff.