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ihreanschaulichen Auslegungen zweifellos dem Volke näher gebracht.
5luch an Polemik fehlt es einigen dieser Lieder nicht. 5o werden
in einem beachtenswerten Gedichte der Heidelberger Handschrift
die schwersten Höllenstrafen allen denen angedroht, die das Abend¬
mahl in beiderlei Gestalt nehmen, eine Drohung, die sicher nicht
gegen die Priester, sondern gegen die hussiten gerichtet war.
Recht absonderliche Wege beschritt zuweilen die Legenden¬
dichtung: ein sprechendes Marienbild, das einen Juden bekehrt*),
die Heilung eines enthaupteten Mädchens^), wunderbare Er¬
zählungen über Rlbertus Magnus^) — Züge, die sich ähnlich aller¬
dings auch in didaktischen Gedichten wiederfinden^. Erwähnt
sei auch ein in volkstümlichen Formen gehaltenes sozial gefärbtes
Kampfgespräch zwischen Ritter und Rauer, worin dem Edelmann
der Vorwurf gemacht wird, er lasse sich durch die Arbeit des
Landmanns ernähren^).
Die Liebeslyrik hat eine eigene Kunstform nicht zu ent¬
wickeln vermocht, sie lehnt sich an das Minnelied oder an das
Volkslied an^). Dem Volksliede nähern sich auch die Lügendich¬
tungen, die andrerseits aber den trocknen scholastischen Rufzäh¬
lungen von Dingen aus der biblischen oder antiken Geschichte
oder gar aus der Länderkunde nahe stehnh.
Ein künstlerisches Prinzip, sei es nun bewußter oder unbe¬
wußter Rrt, läßt sich in all.diesen kleineren vereinzelten Gedichten
nicht erkennen. Einige weisen eine gewisse Einheit von Stoff
und Form auf, die aber andren, vor allem Gedichten didaktischen
oder epischen Inhalts, wiederum völlig mangelt. Im allgemeinen
YGoedeke-Tittmann 5. 325ff.: Nr. I.
2) Wackernagel Ld. 2, Nr. 1063: hier liegt freilig altes Gut der
Spruchdichtung vor.
8) Körner, hist. Volkslieder, Stuttg. 1840, S. 201 ff.; Ambraser
Liederbuch, Hrsg. v. 3. Bergmann, Stuttg. 1846, Nr. 226.
*) Bartsch Nr. 79.
B) Keinz, Lin Meisters, d. 15. Ihts., Sitz. der. d. bair. Nk. d. IViss.,
1892, $.b53ff.;vgl. das enthusiastische Lied Peter Freps „vom edlenbawman"
5lmbr. Liederbuch Nr. 133.
6) vocen, Krit. Veschreibg. S. 1156; Keinz a. a. G. 5. 650 ff.; ähn¬
lich die Lieder §. 661—683. Ganz den Ton des Volksliedes trägt auch das
Liebeslied Wurgenbocks, B r a g ur Bd. 7, Nbt. 2 (Lpz. 1802) S. 89 ff.
7) Bartsch, Tin Baseler Meistergesangbuch usw. 5. 281 ff., 297 ff.