Full text: Zur Entwicklung und Bedeutung des deutschen Meistergesangs im 15. und 16. Jahrhundert

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rischer Natur — beinahe die Hälfte aller Dichtungen sind Mahn- 
und Strafgedichte - und richten sich gegen die Ausschreitungen 
des Ndels (dessen privilegierte Stellung aber nicht in Frage ge¬ 
zogen wird, wie der Dichter auch die Kirche grundsätzlich in 
Schutz nimmt), gegen böse Weiber und Korruption, gegen Juden 
und hussiten und die Laster der Hoffart und Trunksucht. Über¬ 
all verrät sich das Bewußtsein, von der Weltordnung eine sitt¬ 
liche Mission erhalten zu haben — ein gegenüber. den Liedern 
der hätzlerin durchaus neues Moment. Line Abweichung vom 
Meistergesang stellen dagegen die reaktionäre politische Gesinnung 
sowie die wiederholte Beziehung auf soziale und geschichtliche Er¬ 
eignisse dar, die wir in einigen Liedern antreffen. 
Michel Veheimh (1416 bis ca. 1474) aus Zulzbach in 
Schwaben ist nach Stoff, Metrik und Gehalt seiner Dichtungen 
durchaus den Meistersingern beizuzählen, obwohl er wahrschein-, 
lief) keiner Sckule angehörte; jedenfalls ist auffällig, daß er der 
doch bedeutend ältere Zeitgenosse des Hans Folz, lange vor dessen 
Streit mit den Mainzern ausschließlich in Tönen eigener Er¬ 
findung dichtete. In der außerordentlich hohen Auffassung, die 
er von der Sangeskunst hat"), berührt er sich mit Muskatblut, 
ebenso in der heftigen Polemik vieler seiner Gedichte. Er weiß 
nicht nur seine Kunst in trefflicher Weise gegen stümperhafte 
Dilettanten und persönliche Gegner zu verteidigen'), wobei ihm 
das Bewußtsein, stets zur Zufriedenheit selbst des eifrigsten Merkers 
die rechte Zilbenzahl gesetzt zu haben, inneren halt gewährt); 
er ist zugleich ein unerbittlicher Kritiker seiner Zeit, der vor 
y Gervinus a. a. (D. S. 176; fj amp e , Spruchsprecher etc. S. 27 f.; 
Kühn, Rhythmik ii. Melodik Beheims, Bonn 1907; wackernagel, 
Kirchenlied II Nr. 859—880; Gille, Die hist. u. polit. Ged. B.s Bin. 
1910 (palaestra 96); B ü s chi ng , Samlg. f. altdeutsche Lit. u. Kunst, 1. Bd., 
1. Stck., Breslau 1812, S. 37—79; Th. G. v. Karajan, (Quellen u. Forsch, 
z. vaterl. Gesch., Lit. u. Kst., Wien 1849, S. 1—66; i)oI|matin, Ger¬ 
mania III (1858) S. 304—328; Balte, 10 Mstrldr. 111. B.s, Prager 
deutsche Studien, 8. heft, Prag 1908, S. 401—421; vgl. auch Beheims Buch 
v. d. Wienern. Hrsg. v. Karajan, Wien 1843. 
2) Büsching Nr. 6, 11. Heidelb. Hs. Bl. 23—24; 220'; 223—223'; 
268—269; 283'-285. 
3) Büsching Nr. 2; hoItzmann 5. 311. 327 f. 
y Büsching Nr. 1 u. sonst.
	        
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