41
Wahrheit ist, daß er einen seiner Freunde an seinem Tisch in der
Hitze eines Wortstreits und des Weins unglücklicherweise entleibet
hat. Wahrscheinlich aber wars Auri sacra fames oder die Hoff¬
nung sich wenigstens einen hinreichenden Unterhalt zu erwerben,
was ihn ans das Kriegstheater brachte. Denn er besitzt kein
eigenes Vermögen, seine Güter trat er bis zu ihrem wahren Werth
verschuldet an. Seine Gemahlin bezahlte von ihrem Vermögen
die Schulden, dagegen wurden aber in dem Ehevertrag die Güter
den Kindern zugesichert und Custine erhielt sich bisher standes¬
mäßig von der Nutznießung, welche aber bei der Volljährigkeit seiner
Kinder wegfällt und ihn dem Mangel Preis giebt oder von seinen
Kindern abhängig macht.*) Sein Schicksal sei, welches es wolle,
so müssen wir ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er
den hiesigen Generals gute Mannszucht, Schonung des Eigenthums
des Fürsten und der Einwohner anbefohlen hat, und sein Befehl
wird auch einigermaßen von den Soldaten beobachtet. Freilich
haben diese Leute ihre eigene Auslegungskunst. So wie sie vor
einigen Monaten Schinken, Enten, Gänse rc. nicht zum Eigenthum
zählten, so scheinen sie jetzt auch unsern Salat und erst gepflanzten
Kartoffeln, unsere Zaunpfähle und Pallisaden nicht dazu zu rechnen,
so wenig als unser weniges Heu, sondern graben jene aus und
stehlen letzteres von den Heuböden, wo es nur möglich ist. Gott
behüte Sie vor guten und bösen Franzosen. Leben Sie wohl!
*) Manche deutsche Bekenner der französischen Revolution haben es
aus leicht zu errathenden Ursachen sehr erhoben, daß ein Mann von Custine's
Stand und Vermögen, das man sogar auf vierzigtausend Livres Renten — er
besaß nie mehr als ohngefahr zwei und zwanzigtausend — bestimmte, derselben
aus Ueberzeugung beitrat. Ich kannte Custine persönlich, lebte zwölf Jahre
lang nur fünf Stunden von seinem Wohnorte entfernt und in vieljährigem
vertrauten Umgang mit seinen Geschäftsmännern. Und nun mag der Leser
wählen, wem er glauben will. A. d. V.