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Fünfter Brief.
S. den 20. Jan. 1793.
Wir hatten seit einigen Wochen Gelegenheit einen Theil der
Trappen zu beaugenscheinigen, welche die harte und vergebliche
Winter-Campagne bei Trier gemacht haben, und ihr Anblick ist
bedauernswürdig. Ohne Schuh, ohne Strümpfe, ohne Hosen, in
zerrissenen Röcken, von welchen bei der geringsten Bewegung die
Fetzen herabfallen, schleichen sie matt und elend umher mit blau¬
gelben aufgedunsenen Gesichtern und reifen so dem Frühling und
dem Tode entgegen. Ihre Beschreibung von der Campagne und
dem pays des loups, wie sie das Trierische nennen, ist fürchter¬
lich, und eben so fürchterlich die Verwünschungen, die sie gegen
diejenigen, welche diesen Feldzug veranlaßt haben, ausstoßen. Der
Tapferkeit der Deutschen in der Vertheidigung ihrer Stellungen
und Verschanzungen lassen nur wenige nicht die verdiente Gerechtig¬
keit widerfahren, und auch diese wenigen läugnen ihren Verlust
nicht, läugnen nicht, daß die Hälfte der Armee durch beit Feind,
durch die Külte und durch die von den Fatiguen verursachten
Krankheiten umgekommen oder krank und unbrauchbar geworden
sei. Alle Spitäler in den Festungen Metz, Thionville, Saarlouis
sind mit Kranken angefüllt, so wie alle Städte und Dörfer in
dasiger Gegend. Und wie mancher, der noch umher schleicht, aber
den Tod im Busen trägt, wird noch folgen. Ein kostbarer Feld¬
zug, wenn man ohne die 44 Millionen baares Geld, welche er
nach glaubhafter Versicherung kostet, nur diesen Verlust an Mann¬
schaft, größtentheils von den besten Linientruppen in Aufrechnung
bringt.
Wir haben uns nicht vergebens auf unsere Gäste gefaßt ge¬
macht. Am 9ten trafen solche, zuerst die ehemalige Kellermannische
Legion, jetzt Legion de la Mosel! e zu Roß und zu Fuß bei
uns ein. Wir hätten uns sogern mit solcher begnügt, aber einige
Tage nachher kam noch das ganze Regiment Nr. 1, ehemals Picar-
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