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Zwölfter ßrief.
S. den lOtcn Januar 1794.
Die Franzosen verstehen zu rauben aber nicht ihren Raub
zu benutzen. Von der unzählbaren Menge Hornvieh, welches sie
aus dem Leiningischen, Sickingischen u. s. w. hierher gebracht
haben, ist bereits ein großer Theil, gestorben, und der übrige wird
bald nachfolgen. Es ist aber auch kein Wunder, da dieses Vieh
nicht das geringste Futter erhält, sondern solches auf den kahlen
Wiesen und dem Feld suchen soll, wohin es zur Weide getrieben
wird. Nachts muß solches in Gärten und auf den Kirchhöfen in
der Kälte unter freiem Himmel liegen. Man kann solches nicht
ohne Erbarmen ansehen; und der unempfindlichste Mensch muß
gerührt werden, wenn er das erbärmliche Gebrüll, das der Hunger
diesen armen Geschöpfen ohne Unterlaß abdringt, anhöret. Dieses
ist das einzige, was uns gegenwärtig beunruhiget. Unsre Garnison ist
sehr schwach und besteht außer einigen Kanoniers blos in 3 Com¬
pagnien vom Regiment Knêàois. Dies sind meistens Deutsche, die
ihrem Namen und ihrem vorigen Stand als Linientruppen wenig
Ehre machen. Denn sie sind unhöflicher, unvergnüglicher und
diebischer als die Nationalgarden, eine Bemerkung, die wir bei
den alten Linienregimentern schon mehrmals, nie aber so auffallend
zu machen Gelegenheit hatten. Nicht nur unser Eigenthum sondern
auch das Eigenthum der Nation ist vor ihnen nicht sicher. Sie
stehlen Wein und Brandewein von den Wagen, welche sie bewachen
sollen. Vor einigen Tagen raubten sie gar einige Offizierszelte von
einem Wagen und ließen sich Unterhosen davon machen, mit welchen
sie öffentlich erschienen. General Lombard sucht sie zwar in Ordnung
zu halten lind hat alle, die an diesem Zeltediebstahl Antheil halten,
durch Arrest gestraft. Dafür wurde aber ein Complott gegen ihn