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wagt sich kein Franzose mehr über eine halbe Stunde weit von
dieser Seite, und da niemand von außen zu uns kommt, die
Franzosen uns nichts sagen wollen oder selbst nichts wissen, so
leben wir in einer gänzlichen Unwissenheit, aber in gespannter
Erwartung. Da dieser Brief jetzt nicht abgehen kann, da selbst
der enge Paß verleget ist, durch den die übrigen gingen, und ich
meinen treuen Spediteur keiner Gefahr aussetzen will, so kann ich
Ihnen vielleicht noch etwas neues melden. Vielleicht, daß ein in
dem Kopf des Repräsentanten Ehrmann entsprungenes Projekt
dazu behülflich ist.
Dieser hat einen Befehl entworfen, und den hiesigen Beamten
wurde Kraft dessen aufgegeben, in den umliegenden Nassauischen
Ortschaften bekannt zu machen, daß die Einwohner sich alles
Spionirens für die Feinde enthalten, dagegen aber verbunden sein
sollten alles, was sie von den deutschen Truppen erfahren, beson¬
ders wenn sich solche in ihrer Gegend blicken lassen würden, so¬
gleich dahier bei dem commandirenden General anzuzeigen, widrigen¬
falls sowohl das Peccatum commissionis als omissionis damit
bestraft werden sollte, daß die Dörfer, in welchen solche Sünder
einheimisch wären, an allen Ecken angesteckt und verbrannt, die
Schuldigen aber erschossen werden sollten.*)
Das heißt doch wohl sich Spione ohne Kosten anschaffen.
Die angedrohte Strafe als Feinde der Republik angesehen zu
werden zwang die Beamten diese Befehle auszufertigen,**) die
meisten Dorfschaften haben aber darauf geantwortet, daß sie das
Spionshandwerk nicht gegen, aber eben so wenig für die Fran¬
zosen treiben würden. Leben Sie wohl.
*) Vergl. Beilage A. S. 123.
**) Oberst Szekuli beschwerte sich durch einen Trompeter bei dem franzö-
sichcn General über dies Verfahren und drohte die Beamten, die die Befehle
ausgefertigt hätten, hängen zu lassen. Eine schöne Lage für diese Männer:
hier erschossen, und dort gehängt. A. d. Vcrf.