Für das erstgenannte von der Grenze von 1814
umschlossene Gebiet beanspruchte Frankreich vorbe¬
haltlose Annexion, wobei es sich noch die Möglichkeit
einiger „Grenzberichtigungen“ offen hielt. Ob es in
gleicher Weise auch die anderen Gebietsteile annek¬
tieren wollte, ist nicht einwandfrei aufgeklärt. Das Me¬
morandum erweckt den Eindruck, als ob man auch hier
offene Annexion erstrebt habe. Tardieu erklärt jedoch
in seinem genannten Werk, man habe für dieses andere
Gebiet lediglich die Errichtung eines Sonderregimes
unter Übertragung des Grubeneigentums an den fran¬
zösischen Staat beabsichtigt. Nach den Angaben von
Baker soll Frankreich hier eine Sonderverwaltung be¬
ansprucht haben, „die sich kaum von einer Annexion
unterschied“.
Am 28. März 1919 kam die Saarfrage zum ersten
Male in dem für die Feststellung des Vertragsinhalts
maßgebenden Rat der Vier zur gemeinschaftlichen Ver¬
handlung. Der italienische Vertreter Orlando enthielt
sich dabei jeder Mitwirkung und überließ auch in der
Folgezeit die Entscheidung in den Saarangelegenheiten
allein den übrigen Beteiligten: Wilson, Lloyd George,
Clemenceau und deren Mitarbeitern. Lloyd George
zeigte sich gleich zu Anfang den französischen Wün¬
schen in weitem Maße geneigt, insbesondere stimmte
er der Errichtung einer Sonderverwaltung und der
Übereignung der Gruben an Frankreich zu, widersetzte
sich aber einer Wiederherstellung der Grenze von 1814
mit den Worten : „Lassen Sie uns den von Deutschland
im Jahre 1871 namens eines angeblichen geschichtlichen
Rechtes begangenen Fehler nicht erneuern. Lassen Sie
uns keine neuen Elsaß-Lothringer schaffen!“ Wilson
dagegen widersprach den französischen Forderungen in
jeder Hinsicht. Er verweigerte nicht nur die Grenze von
1814, sondern lehnte überdies sowohl die Übertragung
des Eigentums an den Kohlengruben wie auch die Er¬
Memorandum und auch in den weiteren Verhandlungen aus¬
giebig die wirtschaftliche Einheit des Saargebietes hervorge¬
hoben hat, um möglichst weite Gebiete vom Reich abzutrennen,
jedoch für die Volksabstimmung trotzdem die Möglichkeit
einer Teilung des Saargebietes vorgesehen wurde, um dann,
wenn eben möglich, doch noch ein Stück des Landes für
Frankreich zu retten.
8