I. Die Entstehungsgeschichte
des Saarstatuts.]>
„Ein Evangelium war verheißen, eine
Sklavenkette wurde geschmiedet.“
E. W. Fischer.
Die Verhandlungen über das Schicksal des Saar¬
gebietes gehören zu den interessantesten Ereignissen
der Pariser Friedenskonferenz. Sie verdienen um so
größere Beachtung, als sie den Verlauf der gesamten
Beratungen der Feindbundmächte charakterisieren und
hierin der Wendepunkt sind, bei dem Wilson den
Ränken der französischen Diplomatie unterlag, so daß
er schließlich einem Vertrag zustimmte, der einen
schmählichen Verrat der Prinzipien darstellt, die Wilson
selbst als notwendige Voraussetzung eines dauerhaften
Friedens feierlich proklamiert hatte. Als Frankreich die
Saarfrage auf der Konferenz erstmalig zur Diskussion
stellte, widersetzte er sich mit Entschiedenheit einer
Annexion des Gebietes durch Frankreich wie auch der
Einrichtung einer Sonderverwaltung, da beides eine
Verletzung des als Friedensgrundlage zugesagten Selbst¬
bestimmungsrechts der Völker sei. Er wollte es lieber zu
einem Abbruch der Friedenskonferenz kommen lassen,
als seine Prinzipien zu verraten. Und doch gelang es
schließlich der Verschlagenheit und taktischen Über¬
legenheit der französischen Unterhändler, ihn zur Zu¬
stimmung und Mitwirkung an der Errichtung des Son¬
derregimes zu bewegen.
Die ersten ausführlichen Berichte über die Behand¬
lung der Saarfrage hat André Tardieu in seinem
bekannten Werk „La Paix“ veröffentlicht. Seine Dar¬
stellung wie auch sein Urkundenmaterial sind aber
vielfach lückenhaft und entstellend. Bemerkenswerte
Ergänzungen und Klarstellungen bringt das Memoiren¬
werk von Wilsons Pressechef R. St. Baker. Eine sehr
*) Als „Saarstatut“ wird die Gesamtheit der das Saargebiet
betreffenden Vorschriften des Versailler Vertrages (Art. 45 ff.
nebst Anlage) bezeichnet.
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