Nr. 6.
Mantelnote zur Antwort der alliierten und assoziierten Mächte
auf die Bemerkungen der deutschen Delegation zu den Friedens¬
bedingungen. Vom 16. Juni 1919.
(Übersetzung.)
Friedenskonferenz.
Der Präsident.
Paris, den 16. Juni 1919.
Herr Präsident!
Die alliierten und assoziierten Mächte haben den von der
deutschen Delegation über die Friedensbedingungen vorge¬
brachten Bemerkungen die ernsthafteste Beachtung zuteil
werden lassen.
Die deutsche Antwort protestiert gegen den Frieden, zunächst
als in Widerspruch mit den Bedingungen stehend, die als
Grundlage für den Waffenstillstand vom 11. November gedient
haben, sodann, da es ein Gewalt- und nicht ein Rechtsfrieden
sei. Der Protest der deutschen Delegation beweist, daß diese die
Lage, in der sich Deutschland heute befindet, gänzlich ver¬
kennt. Die deutsche Delegation scheint zu denken, Deutsch¬
land habe nur „Opfer zu bringen, um zum Frieden zu gelangen“,
als ob dieser Frieden einzig und allein nur der Abschluß eines
Kampfes um Land- oder Machtgewinn wäre
Das von den alliierten und assoziierten Mächten für das Saar¬
becken vorgeschlagene Regime soll 15 Jahre dauern. Die Mächte
haben diese Regelung für erforderlich gehalten, sowohl als Teil
des allgemeinen Plans der Reparationen als auch, um Frank¬
reich eine sofortige und sichere Entschädigung für die plan¬
mäßige Zerstörung seiner im Norden belegenen Kohlengruben
zu verschaffen. Das Gebiet wird nicht unter die Souveränität
Frankreichs gestellt, sondern unter die Kontrolle des Völker¬
bundes. Diese Regelung hat den Vorteil, daß hierdurch keine
Annexion vollzogen wird, während gleichzeitig das Eigentum
an den Kohlengruben an Frankreich übertragen und d i e w i r t -
schaftliche Einheit des Gebietes aufrechter¬
halten wird, die für die Interessen der Ein¬
wohner von solcher Wichtigkeit ist. Nach Ab¬
lauf der 15 Jahre wird die gemischte Bevölkerung, die in
der Zwischenzeit die Kontrolle über ihre eigenen örtlichen An¬
gelegenheiten unter der regierenden Aufsicht des Völkerbundes
besitzen wird, volle Freiheit haben, um darüber zu entscheiden,
ob sie die Vereinigung mit Deutschland oder die Vereinigung
mit Frankreich oder die Fortsetzung des im Vertrag vorge¬
sehenen Regimes vorsieht. .
Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner
ausgezeichneten Hochachtung.
gez. Clemenceau.
An
Seine Exzellenz den Herrn Grafen Brockdorff-Rantzau,
Präsidenten der deutschen Delegation,
Versailles.
3 Entstehungsgeschichte des Saarstatuts,
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