Abtretung verschiedener von deutscher Bevölkerung bewohn¬
ter Teile des Reichsgebiets beziehen
Die Bereitschaft der deutschen Regierung (d. h. zu einer Ver¬
ständigung über eine neue, dem Prinzip der Nationalitäten ent¬
sprechende Grenze) erstreckt sich aber nicht auf jene Gebiete
des Reichs, die nicht unzweifelhaft von einer Bevölkerung frem¬
den Stammes bewohnt sind. Vor allen Dingen hält sie es für
unzulässig, daß durch den Friedensvertrag zu dem Zwecke,
finanzielle oder wirtschaftliche Forderungen der Gegner
Deutschlands zu sichern, deutsche Bevölkerungen und Gebiete
von der bisherigen Souveränität zu einer anderen verschachert
werden, als ob sie bloße Gegenstände oder Steine in einem
Spiel wären.
Dies gilt insbesondere von dem Saarbecken. Daß hier eine
rein deutsche Bevölkerung wohnt, bestreitet niemand. Trotz¬
dem sieht der Friedensentwurf einen Übergang der Herrschaft
über dieses teils preußische, teils bayerische Gebiet auf Frank¬
reich vor, die zu einer völligen Verschmelzung im Hinblick
auf Zollverhältnisse, Münzwesen, Verwaltung, Gesetzgebung
und Rechtsprechung führen muß, zum mindesten aber die Ver¬
bindung des Saargebiets mit dem übrigen Reiche in allen diesen
Beziehungen völlig aufhebt. Daß die ganze Bevölkerung sich
gegen eine solche Lostrennung von der alten Heimat mit aller
Entschiedenheit wehrt, wird den Okkupationsbehörden nicht
unbekannt sein. Die wenigen Personen, die anders zu denken
vorgeben, weil sie entweder der Macht schmeicheln oder un¬
gerechte Gewinne zu sichern hoffen, kommen nicht in Betracht.
Vergebens würde man einwenden, daß die Besetzung für nur
15 Jahre gedacht ist und daß nach Ablauf dieser Frist eine
Abstimmung des Volkes über die künftige Zugehörigkeit ent¬
scheiden soll, denn der Rückfall des Gebiets an Deutschland
ist davon abhängig gemacht, daß die deutsche Regierung dann
in der Lage sein wird, binnen kurzer Frist die sämtlichen
Kohlenbergwerke des Gebiets der französischen Regierung
gegen Gold abzukaufen, und falls die Zahlung nicht geleistet
werden kann, soll das Land endgültig an Frankreich fallen,
selbst wenn die Bevölkerung sich einstimmig für Deutschland
ausgesprochen hätte. Nach den finanziellen und wirtschaftlichen
Bedingungen des Vertrags erscheint es ausgeschlossen, daß
Deutschland in 15 Jahren über die entsprechende Menge Gold
wird verfügen können. Überdies würde voraussichtlich, wenn
das Gold in deutschem Besitz vorhanden wäre, die Entschädi¬
gungskommission, die dann Deutschland noch beherrschen
würde, eine solche Verwendung des Goldes schwerlich gestatten.
Es dürfte in der Geschichte der neueren Zeit kein Beispiel dafür
geben, daß eine zivilisierte Macht die andere veranlaßt hat,
ihre Angehörigen als Gegenwert für eine Summe Goldes unter
fremde Herrschaft zu bringen.
In der öffentlichen Meinung der feindlichen Länder wird die
Abtretung als Entschädigung für die Zerstörung nordfranzö¬
sischer Bergwerke hingestellt. Die deutsche Delegation erkennt
an, daß Frankreich für diese Zerstörungen entschädigt werden
muß. Sie gibt auch zu, daß eine Entschädigung in Geld allein
der Verschlechterung der Wirtschaftslage Frankreichs nicht ent¬
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