1. Die Tatsache.
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Zusammengesetzteres, als was wir hier meinen. Er denkt an
etwas, was in seinem schlichten Natursosein oft verkommt,
wie er durch „Beobachtung“ oder „Experiment“ zeigt, er
denkt also an das, was wir eine Klasse mit vielen Fällen
nennen. Aber wir denken jetzt an einen „Fall“: „Hier
sitzt ein Mann“, „Dort ist Wasser“ — das sind „Tatsachen“
in unserem Sinne.
Jedes Wissen um eine Tatsache im ursprünglichsten Sinne
hebt nun, wie wir ja schon gesagt haben, sicherlich mit dem
Haben gewisser reiner Solchheiten, wie Farben, Töne nsf.,
welche ein Raumeszeichen tragen, an; insofern hebt sie, wie
Kant sagt, mit der „Anschauung“ an, mit etwas, das „den
Sinnen“ gegeben ist, wobei wir freilich, wie bekannt, den
Ausdruck beanstanden, weil er nicht im Sinne des reinen
philosophischen Anfanges gedacht ist. Also ich habe, sagen
wir, ein bestimmtes Farben-Beieinander von bestimmter Form
an einem bestimmten Orte des Naturraums; ich sage, „da
ist Wasser“, „da sitzt ein Mann“. Was heißt das? Es heißt,
daß ich meinen Begriff Natur ordnungshaft bestimme und
bereichere, wenn ich bestimmte meiner unmittelbaren Ge-
habtheiten, (bestimmte geformte reine Qualitäten), bestimmte
mittelbare Gegenstände meinen lasse. Schon die reine Tat¬
sachenfeststellung ist also Ordnungsleistung. Und nun ist
schon diese allereinfachste Ordnungsleistung dem Irrtum
ausgesetzt1): der „Mann“ war vielleicht ein Baumstamm,
das „Wasser“ war eine Luftspiegelung. Da verbessere
ich denn meine Naturordnungssetzungen in bezug auf schlich¬
teste Tatsachen.
Scheler (Abhandlungen und Aufsätze II S. 21 ff.) will „Täu¬
schung“ und „Irrtum“ trennen; die erste soll auf unmittelbare, der
zweite auf mittelbare Feststellungen gehen. Aber ist nicht auch das
„Wahmehmungsurteil“ ein Urteil?