5. Kausalität.
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bei ihrem noëmatischen Gegenstück1). Hier handelt es eich darum,
was irgend ein zusammengesetztes Erlebnis als Erlebnis, z. B. Hoff¬
nung, Trauer, Wollung, „eigentlich sei“. Es handelt sich in der Tat,
bildlich gesprochen, um so etwas wie (seelische) „Dinge“. Jedenfalls wird
die Untersuchung so geführt, ai* ob es seelische Dinge „gäbe“, als ob
z. B. Wille etwas „sei“, das zur Untersuchung stehe wie Schwefel¬
säure. In diesem Sinne darf ich dann sagen, daß ich die essentia von
„Wille“ jetzt klar erschaue, daß ich (oder besser mein Selbst) sie aber
„früher“ noch nicht klar erschaut habe; alles wird ebenso, wie wir es
später für wissenschaftliches Entdecken im Bereiche des Naturhaften
schildern werden. Ohne diese „als ob‘-Annahme verliert die Noësis-
lehre jeden Sinn. Auch Bergson»*) „données immédiates“ können
nur auf ihrer Grundlage sinnvoll studiert werden; nur so hat es z. B.
Sinn zu sagen, daß eine Erlebtheit erst „confusément aperçue“ sei.
Bei den Urbedeutungen, z. B. den Zahlen, fallen, wie schon (S. 40)
angedeutet wurde, Noëma und Noësis in gewissem Sinne zusammen,
nämlich in dem Sinne, daß jedenfalls die essentia des Noëma auch in die
Wesenskennzeichnung der Noësis eintritt. Die Noësis hat freilich oft
noch unvermeidliches, ihr also wesentliches Beiwerk, welches dem
Noëma, d. h. der erfaßten gegenständlichen Bedeutung nicht wesentlich
ist, so z. B. wenn, nach Bergson, Zahlen nur auf einer sich gleich¬
sam einschmuggelnder Raumesgrundlage erfaßt werden können. Man
darf andererseits selbstredend nicht das Noëraa-Noësis-Verhâltnis mit
dem Verhältnis zwischen einer Bedeutung, z. B. einer Zahl, und dem
anschaulichen Zeichen für sie, z, B. einer Ziffer, verwechseln.
5. Kausalität.
Mit der zweiten Ordnungsersatzleistung für das ordnungs¬
monistische Ideal, mit den Kau salitätsbegriffen also, mit
den Begriffen der FolgeverJcnüpßheit zwischen den einzelnen
Naturveränderungen, steht es nicht anders als mit den Klassen¬
begriffen. Auch hier liegen für unsere Sache gar keine
Schwierigkeiten, nachdem einmal eingesehen ist, daß „Ich
habe Werden“ nicht „Ich habe werdend“ bedeutet:
x) Volk eit {Ocwißh. u. Wahrh.) nennt mit Recht die Phänomeno¬
logie „singular-fundierte Wesenserkenutnis“ (435 u. 449) und betont
ihre Verwandtschaft (nicht Identität) mit psychologischer Beschreibung.
Ich selbst habe schon vor Jahren vom apriori gesagt, es werde „un¬
abhängig vom Quantum der Erfahrung* erkannt (Naturbegriffe, 1904,
S. 31).
*) Données immédiates, z. B. S. 19.