1. Grundlegung.
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rader Linie weiterdenken und aus der bloßen Reihe der
Damals-Punkte die stetige Zeit erstehen lassen, erwägen
wir nun folgendes:
Ich pflege zu sagen: „Ich sah den Kölner Dom“, oder
allgemein; „Ich hatte diesen oder jenen Erlebnisinhalt“, ganz
gleichgültig, ob es sich um sogenannte Wahrnehmungserleb¬
nisse, wie in unserem Beispiel, oder ob es sich um unan¬
schauliche Erlebnisse handelt; auch an einen Gedanken, an
ein Phantasma, an ein Erinnerungsbild kann ich mich ja „er¬
innern“. Was heißt dieses „Ich hatte“ mit Rücksicht auf
das schlichte, wie wir wissen, in Strenge zeitlose Ich habe,
das uns am Ausgang alles Philosophierens steht?
Die Antwort lautet: Das „Ich hatte“ ist selbst schon
©in Ordnungsbegriff, den Ich der Habende ordnungschauend
setze; und zwar ist in der Form „Ich hatte“ dieser Ordnungs¬
begriff schlecht formuliert. Denn Ich bin es doch eigentlich
nicht, welcher „hatte“; „ich“ habe nur. Ich darf da also
nicht beidemal „Ich“ sagen, wenn ich ganz streng sein will,
darf das „Ich“ nicht mit „habe“ und mit „hatte“ verknüpfen.
Vielmehr habe Ich das „Ich hatte“. Sagen wir also für das zweite
mit der Vergangenheitsform verknüpfte „Ich“: mein Selbst1),
Also: Ich, der Habende, schaue und setze, daß mein Selbst
„hatte“ (z. B. den Kölner Dom im Jahre 1909),
Mein Selbst „hatte“ nun Etwas2) in allen den verschie-
») Unsere Setzung mein Selbst verwendet das Wort „selbst“, wie
klar ist, nicht in dem Sinne, den es in dem von uns nur ganz gelegent¬
lich, z. B. Seite 8, verwendeten Worte „Selbstbewußtsein“ hat Das
Wort „Selbstbewußtsein“ soll nur den Sachverhalt Ich habe Ich aus-
drücken, also einen Teil von dem, was wir den Ursachverhalt
nennen.
!) Es hatte immer Eines in einem Zeitpunkt, ebenso wie Ich
immer Eines habe. Der bekannte besondere phänomenologische Sach¬
verhalt, daß Ich nicht mehr als 6 verschiedene anschauliche Letzt¬
inhalte gleichzeitig „apperzipieren“ kann, kommt für unsere viel grund¬
legendere Angelegenheit natürlich nicht in Frage.