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V. Das Seelenhafte. Der Wissenserwerb.
Naturlehre, für welche die Begriffe Materie, Raum, Werden,
Wirken ausreichen, also zur Naturlehre vom Unbelebten,
nicht getan ist, das hat die „Psychologie des Denkens“, die
ja die Assoziationspsychologie endgültig verabschiedet hat,
klar gezeigt. Die Biologie allein wäre es also allenfalls,
die als Analogie für psychologisches, d. h, seelenhaftes,
Werden und Wirken heranzuziehen wäre; diese nun arbeitet
zwar auch mit Materie im Raum, aber daneben mit einem
ganzheitlichen Werdebestimmer, der Entelechie oder Form;
eben in dem „Form“-begriflf liegt das neue, was sie zur
Abiologie hinzubringt.
Psychologisch liegt nun insofern alles viel schwieriger,
als hier nicht nur zu einem schon wissenschaftlich bestehenden
Begriff, dem der Materie im Raum, etwas hinzugebracht zu
werden braucht, sondern zunächst gar nichts da ist, als
der leere Begriff Seele als Seinsreich. Es müssen also die
Analoga sowohl zum Begriff „Materie“ wie zum Begriff
„Form“ erst geschaffen werden.
Da kann nun wohl dieses gesagt werden: Als Träger des
Gedächtnisses hat die Seele ein summenhaftes Beziehungs¬
gefüge, welches „wie“ der Raum ist; gleichsam „in“ diesem
sind gewisse Etwasse, welche vorläufig „seelische Dinge“
heißen mögen, nämlich sämtliche je einmal ich-gehabt ge¬
wesene „Gegenstände“. Diese scheinen gelegentlich, in un¬
bekannter Weise, summenhaft aufeinander zu wirken, nämlich
bei reiner „Assoziation“, welche es aber nur selten, vielleicht
nur beim schlichten „Auswendig-hersagen“ gibt. Fast stets
werden die seelischen Dinge von der Organisation der
Seele bearbeitet, auch schon beim gewöhnlichen Vorstellungs-
erleben (Erinnerung, Traum und Phantasie), erst recht beim
„Denken“. Da bilden sich denn durch wechselseitige Werde¬
beziehungen zwischen seelischen „Dingen“ und seelischer