straft er als Auflehnung gegen die Unbedingtheit und
Heiligkeit der von ihm ersonnenen und erlassenen
Vorschriften. Mit der ihm eigenen Härte brand¬
markt der Idealismus, wie das Beispiel Platos zeigt,
eine solche Abweichung als eine Verirrung, und er
führt sie zurück auf den gefährlichen individualisie¬
renden Drang der Gefühle zur Vereinzelung und zur
Gewinnung eines eigenen und besonderen Rechtes.
Im Hintergründe dieser Überlegung und die¬
ses ganzen Beweisganges ruht der uralte Gegensatz
zwischen dem Walten des auf die Schaffung und Be¬
folgung allgemeiner, überindividueller Vorstellungs-,
Denk- und Erlebnisformen eingestellten Verstandes
auf der einen und der Kraft des Gefühlslebens zu ei¬
ner ihm gemäßen, seinen individuellen Ansprüchen
genau gemäßen Betätigung auf der anderen Seite. Dort
die Forderung und die Fähigkeit der Orientierung an
einer allgemeinen Form, am liebsten und am besten
an einer von logischer, von begrifflicher Gestalt, weil
es gerade der Begriff ist, der das Ansehen der Allge¬
meinheit am deutlichsten zum Ausdruck bringt und
am sichersten gewährleistet, hier die Forderung und
die Fähigkeit zu einem, von den allgemeinen Formen
ganz abweichenden Erleben, Anschauen, Vorstellen,
das sich der Unterordnung unter die allgemeinen Sat¬
zungen des Geistes entzieht bzw. zu entziehen sucht.
Es ist ein Erleben, ein Anschauen, ein Vorstellen, ein
Wollen, ein Urteilen ganz aus der Gabe und Gunst
des schöpferischen Augenblickes, des Kairos, heraus,
der ganz individuellen, nur auf diesen einen Fall und
auf diese eine bestimmte Zeit und Stimmung be-
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