Full text: Die Krise des Idealismus

Verhältnis zwischen „Sozialismus“ und „Individualis¬ 
mus“ und das Recht jedes dieser beiden Standpunkte, 
Gesinnungsweisen und Verhaltungsarten nicht weiter 
verfolgen. Uns beschäftigt vielmehr die Frage, welches 
Urteil die realistische Lebensansicht, gerade weil sie 
bei einer Wahrung der Freiheit des Blickes neben der 
Anerkennung der „sozialen“ Züge auch den „indivi¬ 
duellen“ und „individualistischen“ Zügen des Men¬ 
schen und des Lebens eine verständnisvolle W ürdigung 
zuteil werden läßt, dann über den Idealismus abge¬ 
ben wird. 
Nach einer weitverbreiteten Ansicht pflegt die 
mehr dem Idealismus zuneigende Einstellung und 
Willensrichtung auch mehr den Wert und die Berech¬ 
tigung aller individualistischen Züge zu betonen und 
gerade diese Züge zu fördern. Mit dem Idealismus 
und mit dem ihm nahe verbundenen Humanismus 
stehe in enger Gemeinschaft ein Aristokratismus, der 
auf Absonderung von der mit einer gewissen Gering¬ 
schätzung oder auch offenen Verachtung betrachteten 
Maße bedacht sei. 
Ohne Zweifel, ein derartiger Zusammenhang 
kann bestehen, und er besteht tatsächlich auch in 
zahlreichen Fällen. Aber er muß keineswegs obwal¬ 
ten. Weshalb soll nicht eine idealistische Gesinnung 
und Weltanschauung zu der Anerkennung und Unter¬ 
stützung einer sozialen Gesinnung und eines ihr ge¬ 
mäßen Verhaltens führen? Fast sämtliche politi¬ 
schen Bewegungen und Parteien sozialer und sozia¬ 
listischer Willensrichtung und Betätigungsweise ver¬ 
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