Full text: Die Krise des Idealismus

gegen den Humanismus hervorgegangen. Für diesen 
noch nicht abgeschlossenen und allem Anschein nach 
nicht abschließbaren Streit gibt es, von allen Einzel¬ 
begründungen und Einzelheiten abgesehen, keine trif¬ 
tigere Allgemeinbegründung als den Hinweis auf die 
ewige Kraft und das ewige Recht des Geistes zur Er¬ 
zeugung immer neuer Gestalten, also die Berufung 
auf das unendliche Schöpfungsvermögen des Lebens. 
Wer hat die Befugnis, und wer kann die Macht und 
den Mut besitzen, dieser Schöpferkraft Einhalt zu ge¬ 
bieten? Es wäre das nicht bloß eine Auflehnung ge¬ 
gen Gott, sondern im Grunde die Auflehnung Gottes 
gegen sich selbst, gegen die schöpferische Unermeß- 
lichkeit seines unendlichen W esens — ein unvollzieh¬ 
barer Gedanke und ein unvollziehbares Tun. Einer 
solchen widergöttliohen Unsinnigkeit sehr nahe oder 
eigentlich ihr schon gleich käme die von dem Idealis¬ 
mus begünstigte und vollzogene Dogmatisierung einer 
bestimmten Form zur Alleinherrschaft. 
Mit der Bestreitung der Möglichkeit und des Rech¬ 
tes einer Lniformierung des Lebens und des Wirkens, 
wie sie der Idealismus durch die Verabsolutierung des 
klassischen und humanistischen Formprinzips an¬ 
strebt, ist nun auch von der Seite der formal-ästheti¬ 
schen Kritik seines Wesens und Wertes eine Krise 
über ihn heraufgeführt. Vielleicht ist es gerade die¬ 
se Krise, die auf das geistig-geschichtliche Leben den 
stärksten Eindruck hervorgerufen hat. Denn irgend¬ 
wie klingt in allen Bemühungen der europäischen 
Geieteswelt, die darauf gerichtet sind, bei den einzel¬ 
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