2. Die Krisen in der Philosophie und
ihre Gründe.
Genau dieselben Quellen, aus denen sich die all¬
gemeinen Wendungen in der Entwickelung der ge¬
schichtlichen Kultur speisen und herleiten, und bei¬
nahe dieselben Kräfte, die für diese Wendungen und
Krisen verantwortlich sind, machen sich auch in der
Philosophie und in ihrer Geschichte geltend. Daher
auch die durch eine große Reihe der verschiedenar¬
tigsten Motive allsgelöste Vielgestaltigkeit in der
Struktur und in der Geschichte der Philosophie. Gibt
es überhaupt in dem weiten Umkreise der menschlich-
geschichtlichen Wirklichkeit noch ein anderes Gebil¬
de, das sich hinsichtlich seiner inneren Verwickelt-
heit, ferner hinsichtlich der Schwierigkeit seiner Stel¬
lung in dieser W irklichkeit mit der Philosophie auch
nur von ferne vergleichen ließe? Ist doch ihre Ein¬
zigartigkeit schon durch den einen entscheidenden
Umstand mitgegeben, daß auf sie von allen Seiten des
Geisteslebens her tiefgreifende Einflüsse tinströmen.
von der Seite der Wissenschaften ebensowohl wie von
der Kunst und der Religion, der Sprache und der
Wirtschaft, des Staates und des Rechtes, nicht zuletzt
von derjenigen der allgemeinen Willensstellung, Ge-
sinnungs- und Inleressenrichtung einer Zeit, also von
dem allgemeinen Lebensgefühl, von dem die Zeit
durchdrungen ist. Und zu allen diesen Einwirkun¬
gen gesellen sich noch jene Antriebe die aus der ei¬
genen inneren Entwickelung der Philosophie, aus der
verwickelten Struktur ihrer Idee und ihrer jeweiligen
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