Wahrheit bewußt und gerecht werden ohne Abschwei¬
fungen, ohne schwächende Entfernungen von dem
„Eigentlichen“ seines Wesens. Von diesen, in der Ge¬
schichte immer aufs neue sich energisch durchsetzen¬
den Sendungen zur Wiederergreifung der eigenen
Wahrheit und des wahren Selbst aus wird dann die
vergangene und zurückliegende Epoche als eine Zeit
der Untreue gegenüber dem Wesentlichen des eigenen
Seins, als eine Periode des Verrates an den wahren
und natürlichen Gesetzen und Bedingungen, denen die
Gestaltung des Lebens unterstehen sollte, beurteilt
und verurteilt. Dabei spielen die Erwägung oder der
Umstand, ob diese Kritik gerecht oder ungerecht ist,
gar keine Rolle. Die Maßstäbe der geschichtlichen
Urteile haben ebenso wenig wie die geschichtlichen
Umwälzungen und Krisen ihre Grundlage vornehm¬
lich in einem besonnenen Gerechtigkeitsempfinden.
Das können und dürfen sie schon deshalb nicht haben,
weil ihre Berechtigung und Anwendung dann von der
überlieferten Moral und von den moralischen Konven¬
tionen abhängig wären. Und gerade gegen diese Mäch¬
te wollen sie sich doch mit aller Entschiedenheit rich¬
ten. Anderenfalls würden sie sich ihres moralisch-
revolutionären Schwunges berauben und eich der
Freiheit ihrer Kritik und damit ihres Rechtes und
ihres sittlichen Wertes entledigen.
Die Hauptmotive für die geschichtlichen Krisen
liegen also, von allen Einzelheiten abgesehen, in dem
Verlangen der Rückkehr zu den „eigentlichen“ Grund¬
kräften des menschlich-geschichtlichen Daseins und
Wirkens. Sie ergeben sich aus der Forderung und
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