gigkeil von einem Sein zu geraten. Was für jede an¬
dere Geisteshaltung die Geltung eines Dogmas be¬
sitzt, bleibt für ihn ein Gegenstand der Kritik und als
solcher demgemäß ein Problem.
c) Aus diesem Grunde ergibt sich aus der phäno¬
menologischen Wesensschau moch nicht ihr Platonis-
mus. Auch Plato lehrt die Wesensschau. Aber die
phänomenologische Wesensschau Platos und die der
Phänomenologie decken sich nicht, ja. sie berühren
sich sogar nur in einigen Punkten. Die moderne
phänomenologische Abart ist erstens einfacher, zwei¬
tens mehr sachgebunden als die Schau der Ideen bei
Plato. Ihre größere Einfachheit zeigt sich in dem
prinzipiell bis zur Ausschließlichkeit gesteigerten
Vorwiegen der rein theoretischen Haltung, in jener
Leidenschaftslosigkeit, in jener Intellektualität, mit der
der Mathematiker seine Dreiecke und Kreise erschaut.
Plato hingegen schaut die Gestalten der Erscheinungen
mit einem vom Eros durchglühten Logos. In dieser
Schau der „Ideen“ durch den flammenden und en¬
thusiasmierten Logos sind unaufhörlich die denkbar
schärfsten Strömungen zu moralischer und ästheti¬
scher Wertgebung wirksam. Wie die Ideen selber
nicht bloß von dem Standpunkt einer reinen, ab¬
strakten, in der Sphäre wertfreier Intellektualität ver¬
bleibenden Theorie aus erfaßt werden, so sind sie auch
selber keine wertfreien, keine nur erkenntnismäßiger
Gestalten der Erscheinungen. Sie sind im höchsten
und vollsten Sinne universale, dialektische Wertfor¬
men. sie sind dialektisch werthaltige Formen. In
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