Full text: Die Krise des Idealismus

Höhe des freien, keinem Sein, sondern nur der Ver¬ 
nunft verantwortlichen und eben deshalb selbstver¬ 
antwortlichen Denkens führt. Bei einer ruhigen, ein¬ 
gehenden und unvoreingenommenen Prüfung aller 
Systeme des Realismus und des Dogmatismus wird 
sich folgende Einsicht einstellen: ihre eigentliche 
Wendung zu einem wirklichen Philosophieren kann 
erst erfolgen, und sie erfolgt tatsächlich erst in dem¬ 
jenigen Augenblicke, in dem der Geist der Kritik 
und die Kritik des Geistes ihre Herrschaft über jeg¬ 
liche Art von Gegenständlichkeit antreten und ge¬ 
winnen. Eine andere Frage ist es natürlich, ob sie 
imstande sind, diese Herrschaft auf die Dauer auf¬ 
recht zu erhalten und rein und unverfälscht zu be¬ 
wahren. Vielleicht bekundet sich darin eine eigenar¬ 
tige und unaufhebbare Antinomie des Idealismus: Er 
vermag seine philosophische Geltung niemals unge¬ 
kürzt durchzusetzen. Er bedarf der Gegebenheiten, 
u. z. schon darum um an ihrer wissenschaftlichen Be¬ 
wältigung sich zu bewähren und sein Wesen zu ent¬ 
falten. Dafür aber muß er etwas von der Freiheit 
des Geistes opfern. Er bringt dieses Opfer um der 
Entwicklung, um der Auswirkung, um der Verwirk¬ 
lichung seines Wesens willen. Aber auch bei seiner 
Verwirklichung verliert er seine Freiheit nicht an die 
Gegenstände. Er läßt kein Sein zu der erdrückenden 
Macht eines Dogmas anwachsen. In dieser Selbstän¬ 
digkeit offenbart sich der entscheidende Zug seines 
Wesens. Mit aller Sorgfalt achtet er auf die Wahrung 
derjenigen Grenze, an der die größte philosophische 
Gefahr entstehen könnte, die nämlich, in eine Abhän¬ 
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