Begründung der Erscheinungen aus den Vorausset¬
zungen der Vernunft, sondern darum, der Erscheinun¬
gen habhaft zu werden, sich ihres Seins zu vergewis¬
sern und ihr Sein in seiner Unerschütterlichkeit zu be¬
schreiben. Dabei drängt das erkennende Bewußtsein
immer mehr, immer enger an die Sphäre des Seins
heran. Es steht ihr nicht irgendwie gegenüber als eine
ihr ebenbürtige, als eine selbständige Größe, sondern
es dient ihr und ist nur darauf bedacht, aus dem Sein
so viel an Erkenntnis der Gegebenheiten heraus/uho-
len, als möglich ist.
Bei dieser Hinneigung zur Seinssphäre glaubt das
erkennende Bewußtsein die Entdeckung seiner Zuge¬
hörigkeit zu dieser Sphäre zu machen; als sei es selber
ihr und ihren Zusammenhängen eingebettet, als stellte
es einen Teil ihrer Realität dar. Wir können diese Er¬
kenntnis auch mit den Begriffen der Lebensphiloso¬
phie ausdrücken. Das erkennende Bewußtsein verliert
angesichts der behaupteten Allmacht des Lebens die
Überzeugung seiner Unabhängigkeit von dieser All¬
macht. Es gilt nur als ein Neben- oder Unter¬
strom in der alles umgreifenden und alles tragenden
Gesamtströmung des Lebens. Und lediglich darum,
weil es einen Teil des allgemeinen Lebens ausmacht
und ihm innerlich zugehört, kann es, so lautet die Leh¬
re der Lebensphilosophie, eine Erkenntnis des Lebens
erreichen. So bedeutet das Leben mithin nicht mehr
bloß den Gegenstand der Erkenntnis, sondern auch
seinen eigentlichen Schöpfer und Träger, und es ist
deshalb auch für die Erkenntnis verantwortlich.
Welcher erstaunliche, welcher philosophisch, weit¬
12 A. Liebert. Die Krise d. Idealismus.
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