V orbemerkung.
Dieser Abriß ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die ich an
der Königlichen Universität Rom im Jahre 1927/28 hielt. Doch
wer meine Schriften und mein Denken zum mindesten seit dem
Jahre 1909, seit der Veröffentlichung der kurzen Schrift über die
„Absoluten Formen des Geistes“ kennt, wird unschwer sehen, daß
er das Ergebnis mehr als zwanzigjähriger Studien und Überlegungen
darstellt; stand doch in all meinen philosophischen Arbeiten das
ästhetische Problem mir immer vor Augen. Einige besondere Hin¬
weise über meine Art des Sehens sind in meinen Ausführungen
„II sentimento“ („Giornale critico della filosofia italiana“, 1928)
sowie in dem Artikel „Arte“ der „Enciclopedia Italiana“ vor¬
weggenommen.
Damit will ich nicht sagen, daß ich von je genau das gedacht
hätte, was der Leser in diesem Versuch finden wird. Würde ich das
behaupten, so würde ich mich — um nichts Schlimmeres zu sagen —
in den stärksten Widerspruch mit der hier dargestellten Lehre ver¬
wickeln. Ich will vielmehr sagen, daß ich aus Anlaß der hier er¬
folgten Vertiefung dieses einen Problems-alle Probleme meiner
Philosophie vertieft habe, wie sich das von selbst ergab. Daraus
aber entsteht bisweilen ein scheinbar verändertes Aussehen: denn
das ist die Eigentümlichkeit der Philosophie, uns vor Probleme zu
stellen, die wir, erscheinen sie auch einmalig gelöst, nicht beiseite
legen können, um nie wieder ihrer zu denken.
Und dieses will eben ein philosophisches Buch sein. Schon
auf dem Titelblatt habe ich es zum Ausdruck gebracht, um
die schätzenswerten Vertreter der journalistischen Kritik darauf
hinzuweisen, daß dieses Buch nicht für sie bestimmt ist. Ich weiß
wohl, daß in Italien die Ästhetik großenteils in ihren Händen
ist, und ich lege nicht den geringsten Wert darauf, ihnen zu wider¬
sprechen, überzeugt wie ich bin, daß sie mit vielem Eifer viel
Interessantes Vorbringen. Nur erlaube ich mir — mit all dem
Respekt, den ich für sie empfinde — die Meinung zu äußern, daß
ihre Ästhetik nicht Philosophie ist, ja nicht einmal die berühmte
Crocesche Philosophie der vier Kategorien des Geistes.
G G.