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Das Problem der Kunst.
durch den sich beispielsweise der Mechanismus Demokrits
vom platonischen Idealismus unterscheidet oder der Realismus
Herbarts zu den Antipoden des Hegelschen Idealismus gehört,
und jede dieser Philosophien ist doch in ihrer Art Philosophie.
Identische Form mit verschiedenem Inhalt. Wo man es aber unter¬
nimmt, nur die Form zu untersuchen, wie es bei der Begriffs¬
bestimmung nach der Logik des abstrakten Logos geschieht, da
kann unzweifelhaft der verschiedenartige Inhalt und die Geschichte
der verschiedenen Philosophien in der Einheit ihrer Entwicklung
nicht dargestellt werden. Das heißt: ohne Sinn bleibt eine Unter¬
suchung, die sich als Zweck setzt, im Begriff der Philosophie als
solchem die Ursache des Untergangs oder die Überwindung einer
Philosophie finden zu wollen.
Und das ist auch der Grund, aus dem jede Philosophie, wie sie
aus der Gedankenwelt des Philosophen, der sie ausübt, hervor¬
wächst, nicht eine Philosophie, sondern die Philosophie ist: jene
einzige Philosophie, die nie untergehen wird, und die in einem
ersten Augenblick jeden Philosophen (solange er nicht vom ab¬
strakten zum konkreten Logos übergeht) veranlaßt, seine eigene
Philosophie in dogmatischer Weise als unüberwindlich hinzustellen.
Mancher verbeißt sich dann in dieses abstrakte Moment seines
Gedankens und verharrt geradezu bösartig im heftigsten Dogmatis¬
mus, bis er sich lächerlich macht wie jemand, der sich außerhalb des
Gedankengesetzes stellt. Doch um so schlimmer für ihn; der Ge¬
danke schreitet vorwärts.
Nach welcher Vorschrift hat der ideale Wiederaufbau der
Formen des Geistes zu erfolgen? Offenkundig nur nach dem
Rhythmus selbst des Gedankens, der in unablässigem stufen¬
weisen Überlegen über sich selbst voranschreitet, verwirklicht er
sich doch nur insoweit, wie er Selbst-Bewußtsein wird. So kann der
geistige Rhythmus als ein immanentes und unablässiges Sich-selbst-
als-Objekt-der-Erkenntnis-nehmen (Überlegung, Urteil) definiert
werden. Die Vorschrift für eine ideale Rekonstruktion des Lebens
des Geistes, von welchem Standpunkt aus immer wir sie vornehmen,
kann nur die sein, die uns den Gegenstand des Gedankens als
ideale Voraussetzung für den Gedanken, den Inhalt als ideale Vor¬
aussetzung für die Form des Urteils nehmen läßt, in dem der Ge¬
danke sich ausdrückt und sich konstituiert. Zunächst kommt der
Gegenstand des Urteils und dann das Urteil. Wenn es Formen
oder Momente des Lebens des Geistes gibt, die Gegenstand des
Urteils einer gegebenen Form oder eines gegebenen Momentes