Das philosophische Problem.
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sich der reiche und vollendete Gedanke untergebracht, der nicht
mehr einfache Empfindung oder Vorstellung, sondern Begriff, Lo¬
gik, deutliches Bewußtsein, Selbst-Bewußtsein ist: der alles ist, was
der Gedanke sein kann, wenn er zu seiner vollen Entfaltung ge¬
langt ist, die sich aber schon in den unteren Stockwerken ankündigt,
vorbereitet und zum Teil vorweggenommen wird. Audi hier gibt
es nur ein einziges Stockwerk; auch hier ist von Anfang an alles
vorhanden, was zum Ende zusammentrifft: alles ist im Leben des
Geistes organisch geordnet, miteinander verbunden und vereinigt.
So könnte man, wenn man will, von Empfindung sprechen; wes¬
halb nidit? Aber wird diese Empfindung ein seelischer Vorgang
diesseits des Bewußtseins sein? Nein, unterhalb des Bewußtseins
gibt es keine Seele, verschwindet jener Hintergrund, auf dem sich
die Bilder zeichnen und zur Kenntnis bringen können, die wir
unsere innere Welt nennen. Der Physiologe wird sich damit be¬
gnügen, in seine Arme eine sogenannte unbewußte Empfindung zu
nehmen und sie in sein Haus, in die Sphäre der physiologischen Er¬
scheinungen zu tragen. Der Psychologe aber, wenn er seine Augen
zum Sehen benutzt, wird über diesen im Traum begangenen Raub
lächeln; denn er weiß, oder er soll wissen, daß alle Gegenstände,
die der Physiologe in sein Haus tragen kann, und eben dieses Haus
auch selbst Gegenstände des Gedankens, Erfahrungsinhalte, Vor¬
stellungskomplexe und im Grunde genommen daher Sinnesempfin¬
dungen sind, die aber bewußt sind. Die Frage verengt sich also auf
ihren quantitativen Gehalt nach dem Mehr oder Weniger; aber
qualitativ ist die Empfindung selbst Bewußtsein.
Nicht genug damit. Was will „Bewußtsein“ besagen? Der see¬
lische Inhalt steht in seiner Innerlichkeit nicht einfach für sich
allein da. Wenn ich mich in einer Seinslage befinde, welche nicht
ein einfacher unbewußter, sondern ein wahrgenommener und daher
mein Zustand ist, so gibt es mit Notwendigkeit in diesem Bewußt¬
sein eine, wenn auch rudimentäre und dunkle Unterscheidung zwi¬
schen mir und meinem Zustande: eine Unterscheidung, die die Be¬
ziehung des Zustandes auf mich möglich macht. Das Bewußtsein von
irgend etwas ist daher ein doppeltes Bewußtsein: Bewußtsein von
mir und Bewußtsein einer von mir unterschiedenen Sache. Und
auch das Bewußtsein von mir ist ein doppeltes oder ein prä¬
gnantes Bewußtsein; denn um mich selbst zu begreifen und zum Be¬
wußtsein davon zu gelangen, muß ich mich in meinem Unterschied
zu jener irgendwie beschaffenen Sache begreifen, auf die das Be¬
wußtsein sich richtet, d. h. in der Unterscheidung, auf Grund deren