Das empirische Problem.
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Philosophie überhaupt nicht anders zu begreifen, was durchaus
keine Hinneigung zu der empiristischen Methode bedeuten würde.
Tatsächlich kämpft nicht nur der Schriftsteller, von dem hier
die Rede ist, in den Reihen der Idealisten, sondern er ist ein
Leibwächter ihres Heeres. Und es gibt keinen Feldzug in das Ge¬
biet des Empirismus und der damit zusammenhängenden Lehren,
an dem er nicht stets gern teilnähme. Empirische Begriffe, die
unter Wissenschaftlern, Historikern, Philologen, Literaten und
Philosophen dritten Ranges umliefen und Quelle lästiger und un¬
gelöster Fragen waren, werden seit 30 Jahren aufs Korn ge¬
nommen, gestürmt, mit großer Leidenschaft und großem Erfolg
zersprengt, und das geschieht unter den entsetzten und be¬
wundernden Blicken der Nicht-Philosophen oder der einfältigeren
und weniger gebildeten Philosophen, die von dem Feuer so vieler
Kritiken bezaubert sind, wie sie sich auf allen von der Philosophie
nur zu lange unbeachtet belassenen Gebieten bemerkbar machen.
Kein Philosoph erschien je als ein so hartnäckiger, grimmiger und
furchtbarer Jäger jeglicher Art des empirischen Denkens. Und
immer den Gedanken, die Idee, die Philosophie, die Logik im
Munde!
Aber die Philosophie ist nicht Philosophie, solange sie nicht
die Wirklichkeit angreift, denn diese, die letzten Endes selbst Ge¬
danke ist, bleibt sonst ein Gedanke außerhalb des Gedankens. Es
gibt also zwei Gedanken und nicht nur jenen einen, der immer
ernsthafter Gedanke ist, und den man daher als den wichtigsten
bezeichnen kann. Denn es gibt Philosophen, die die Philosophie
als Beruf und das Denken als technisches Wissen betrachten, das
man anwendet oder nicht (besser natürlich, wenn es Anwendung
findet); aber man bereitet es außerhalb der Dinge des Lebens, der
Wirklichkeit, auf die man es anwenden soll. Da sollte man
wenigstens exakt denken und sich des Denkens zum Vorteil dessen
bedienen, der gezwungen ist, sich in der Wirklichkeit zu bewegen.
Wenn die Philosophie, wovon sich der obengenannte Autor schlie߬
lich überzeugt hat, eine Methodologie des historischen Denkens sein
soll (oder des der tatsächlichen Wirklichkeit zugewandten Denkens),
so wird sich alle Philosophie augenscheinlich in einem Technizismus
verbrauchen, der der Wirklichkeit des Lebens fremd ist, in der
jeder Mensch seine ernstesten Interessen und all das besitzt, was
ihn überhaupt zum Denken bringen kann. Ebenso offensichtlich
aber kann eine solche Philosophie ihrer Stellung nach nicht nur
nicht — wie sie beansprucht — die Religion ersetzen, die nicht