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Das Problem der Kunst.
weil das Objekt, das es zu sehen gilt, nicht bestimmt oder fest¬
gelegt ist. Die ganze Ästhetik Croces sagt nichts darüber, was
jenes „Einzige“ (Intuition oder Kunst) sei, nachdem sie einmal,
wie hier gezeigt, festgestellt hat, daß es jenseits des logischen Er-
kennens Intuition und Kunst gibt, und daß, wohlgemerkt, das eine
das andere sei. Sie wird später sehen, daß auch die Sprache sich
mit diesem „Einzigen“ (unicum) identifiziert. Aber unabänderlich
ist, daß man von diesem „unicum“ nichts aussagen kann und nichts
aussagt, weil es doch ein Punkt, eine unmittelbare Erkenntnis oder
Erscheinung, das heißt selbst eine Intuition ist. Diese ganz kurze
Abhandlung entwickelt keinen Begriff von der Kunst oder Intuition,
sondern sie achtet nur sorgsam darauf, daß sich dem betrachteten
Gegenstand nichts Fremdes nähere oder vermische. So reißt man
ein, aber man baut nicht auf; man analysiert die Irrtümer, nicht
die Wahrheit. Diese ist einer Analyse nicht zugängig, denn, um es
kurz zu sagen, sie ist nicht Wesen, sondern Dasein. Nicht etwa, daß
Croce geradezu nichts vom Wesen der Kunst sagt; aber was er
sagt, ist alles schon in seinen ersten Ausführungen enthalten, in
denen die Feststellung des Faktums erfolgt. Nichts wird begründet,
nichts bewiesen. Alles ist Annahme. Das Wesen wird (um mich
der schon gekennzeichneten Sprache zu bedienen) gemäß der dar¬
gestellten Logik des Empirismus kopfüber ins Dasein gestürzt.
Und die Folge? Die Folge ist so, wie sie sein mußte: dieses
angenommene und nicht bewiesene noch gedachte Faktum ist
immer der Gefahr ausgesetzt, ins Nichts zu fallen und nicht mehr
gesehen zu werden. Der Verfasser steht immer bewaffnet auf der
Bresche, mit dem ganzen eisernen Dogmatismus der Empiristen,
bereit, die Leugner der Kunst zu bekämpfen. Aber seine Waffen
sind Polemiken, Vorwürfe und Hohn gegen den, der die Kunst
nicht fühlt, gegen den, der sie nicht sieht, gegen den Unglücklichen,
der keine Augen hat zu sehen, herumphilosophiert, mit der Logik
sein Spiel treibt und theologisiert. Es sind die Waffen, deren sich,
wie jeder sieht, der Künstler gegen den bedient, der nicht die
Schönheit seiner Kunst sieht; die aber ist für ihn die einzige Kunst,
die Kunst! Es sind Waffen eines Menschen, der sich noch diesseits
des Problems befindet und es überhaupt noch gar nicht aufgestellt
hat. Glaubt man daher, man habe die Gegner vertrieben und sei
nunmehr Herr des Feldes, so muß man wieder von neuem be¬
ginnen.
Und das ist der Standpunkt jemandes, der, wie ich schon be¬
merkte, erklärt, auch er hänge dem Idealismus an und wisse die