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Schluß.
die Überlegung über die moralische Erfahrung als notwendig
erwiesen wurde. Der Begriff der Kunst als Mechanismus, der einem
Zweck dient, ist übrigens mehr von der Technik als von der eigent¬
lichen Kunst beeinflußt, und er trägt zur Bestätigung der Tatsache
bei, daß Kant in der Transzendentalen Ästhetik neben der Kunst
hergegangen ist, ohne es bemerkt zu haben.
Aber die spätere Spekulation nahm die erste Kritik zum Aus¬
gangspunkt; damit deren Theorie der unmittelbaren sinnlichen
Wahrnehmung ihre ganze Wichtigkeit erwies, mußte der Begriff
der schöpferischen oder konstruktiven Aktivität des Geistes von
dem realistischen Überbleibsel befreit werden, das in transzenden¬
talen Idealismus Kants der Begriff des Noumenon darstellt. Denn
nur wenn das Ich ohne äußere Grenzen produktiv ist, kann es
seine schöpferische Kraft und Freiheit offenbaren, kann es mit
einem Wort Geist sein. Es kann der Geist sein, in dem Kunst mög¬
lich ist, und es kann wirklich die ursprüngliche Form des Ich sein,
die Kant in dessen sinnlicher Anschauung sieht, und außerhalb
derer das Ich nur auf dem Leeren bauen kann.
Nach den Versuchen Fichtes und Schellings erfolgt die end¬
gültige Überwindung des Noumenon wie jeglichen Realismus bei
Hegel. Dieser weist in der Phänomenologie des Geistes nach,
wie die Kritik, die der Geist an sich selbst und an allen seinen
Formen übt, ihn veranlaßt, im absoluten Selbstbewußtsein das
Wesen des Wirklichen anzuerkennen. Bis Hegel erhebt sich die
Philosophie nur mühsam zu diesem Begriff des Selbstbewußtseins,
der die Form der Wirklichkeit als Geist ist: der Boden, in dem die
Pflanze der Kunst Wurzel schlagen kann. Aber zwischen Kant
und Hegel ist in dem Aufruhr des Gewissens, das zur noch
unbestimmten und verworrenen Wahrnehmung der Macht und der
schöpferischen Aktivität des Ich erwacht, ein überreiches Blühen
von Beobachtungen über die Kunst, die so etwas wie eine neue
und nie gekannte Empfindlichkeit des geistigen Charakters des
Kunstwerks und des Schönen heranbilden. Das hält während der
ganzen romantischen Bewegung an, die die Freiheit des Geistes,,
seine Ursprünglichkeit und Spontaneität unabhängig von jeder Über¬
legung und überkommenen Regel verherrlicht. Besonders tief sind
die Betrachtungen Schleiermachers, der die Kunst aus dem ge¬
heimen Quell des unmittelbaren Gefühls entströmen läßt; aber es
gelang ihm nicht, diese seine glückliche Idee systematisch zu ent¬
wickeln, indem er erklärt hätte, wie aus dem Gefühl das Kunstwerk
geboren werden könne.