Schluß.
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5.
Von Kant zu Hegel.
So dringt die moderne Philosophie in das Problem der Kunst
ein in dem Maße, wie sie allmählich den Wert des Fuhlens wieder¬
herstellt. Und sie setzt ihr Prinzip durch den Namen selbst,
mit dem sie diese der antiken Philosophie unbekannte philo¬
sophische Wissenschaft tauft. Kant nennt den ersten Teil seiner
Erkenntnistheorie (in der Kritik der reinen Vernunft) Ästhetik,
indem er ihr andererseits das Objekt und das Gebiet erhält, die
Baumgarten der Ästhetik zugeschrieben hatte: denn die erste Er¬
kenntnis, wenn auch noch dunkel und blind, ist auch für Kant die
sinnliche, von der aus auch er den Wiederaufbau der Erfahrung her¬
leitet. Seine Theorie der reinen und empirischen sinnlichen unmittel¬
baren Wahrnehmung als Ausgangspunkt, von dem das Ich ausgeht,
um zu denken und in den Besitz der Wissenschaft zu kommen, ist
einer der Meilensteine des modernen Gedankens; denn hier wird tat¬
sächlich die Grundlage des neuen Gebäudes errichtet, in das man
die ganze gedachte Wirklichkeit ohne Voraussetzungen und daher
als Geist, als Freiheit verstanden, aufnehmen wird. Die transzen¬
dentale Ästhetik hat mehr Bedeutung als die Kritik der Urteils¬
kraft für die Geschichte der Philosophie der Kunst, obwohl Kant
in diesen Seiten seiner ersten Kritik das Problem der Kunst nicht
im Sinne hatte und es erst in der dritten Kritik behandelte. In ihr
erwächst ihm das Problem aus dem Wunsch, die Kritik der reinen
Vernunft und die Kritik der praktischen Vernunft miteinander
zu versöhnen. In der Kunst sieht er eine mögliche Form der Ver¬
söhnung, soweit das wertende Urteil, dem sie zugänglich ist, den
Mechanismus umgestaltet, in dem sie sich als einfaches Erfahrungs¬
objekt in einer teleologischen Schöpfung darstellt; hier erklärt
sich alles nicht als Wirkung einer Ursache, sondern als Mittel, um
«in Ziel zu erreichen. Bezieht man so das gleiche wertende oder
ästhetische Urteil auf die Natur, so erwirbt die ganze Natur von
einem subjektiven Gesichtspunkt aus eine zielhafte Bedeutung als
Werk der Freiheit, die die Kritik der praktischen Vernunft im
Geist als moralischen Willen entdeckt hat, eine Bedeutung, die die
einfache Erkenntnis mit ihrer Kategorie Ursache ihr nicht zu¬
gestehen kann. Das Interesse ist hier offensichtlich mehr der Natur
als der Kunst zugewandt; sie muß der Geist mit Geistigkeit um¬
kleiden, um einen geistigen Charakter dem Mechanismus zu geben,
der dem Glauben an die Freiheit widerspricht, wie sie durch