Der menschliche Charakter der Kunst.
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sagt, sagt „Unendlichkeit“, also Nicht-Vorhandensein von Grenzen.
Die Grenze, auf die der Gedanke stößt, und der er sich nicht
unterwerfen kann, ohne auf die eigene Unendlichkeit und Freiheit
und damit auch auf seine eigene Existenz zu verzichten, ist sein
Objekt. Dieses Objekt ist von Anfang an nicht erkannt, das wird
es erst später; oder wenigstens steht es so in Beziehung zu dem
Gedanken, als dem Subjekt der Erkenntnis, daß diese Beziehung
(die Erkenntnis selbst) ein fortwährender Übergang vom Nichtsein
zum Sein darstellt, und so muß man sagen, daß man ständig zum
Erkennen dessen vorschreitet, was vorher unerkannt war.
Dieses noch nicht bekannte und zu erkennende Objekt bildet
das Problem des Gedankens, sein ewiges Problem. Denn so weit
man auch die Erkenntnis erweitert und ausdehnt, so bleibt für
den Gedanken, falls er nicht wegfällt, stets nicht nur in die
Weite, sondern in die Tiefe zu erkennen. Und wer befriedigt
glaubt, er habe auf dem unermeßlichen Felde dessen, was unserm
Wissen zugänglich ist, wenigstens die Grenzen eines bestimmten
Landes erreicht, und wer entschlossen ist, sich des sicheren Be¬
sitzes dieses genau umschriebenen Gebietsteiles zu erfreuen, wird,
solange er lebt und also denkt, innerhalb dieser Grenzen zu graben
beginnen, um jeden Tag das zu erkennende Objekt vor Augen zu
haben und gewissermaßen mit der Eroberung der Lösung das ver¬
lorene Problem wiederzugewinnen. Nun hält sich das Objekt, bis
es erkannt wird, an der Grenze auf, um das Subjekt seine Grenze
fühlen zu lassen. Und wenn es dem Subjekt gelingt, es zu er¬
kennen, so sieht es vor sich seine Grenze fallen, und er, der
Gedanke, ist wieder allein in seiner Unendlichkeit. Das Objekt
tritt gleichsam von außen in den Gedanken herein: es ist nichts
mehr, was außen stände — es wird zu einem dem Gedanken
innewohnenden Element. Es gleicht sich dem Subjekt an. Es ist
hier nicht der Ort zu erläutern, wie man von der Zweiheit der
Begriffe (Subjekt und Objekt) zur Einheit (Subjekt) gelangt. Es
mag der Hinweis auf das genügen, was ich an anderer Stelle aus¬
führlich auseinandergesetzt habe, daß eben diese Zweiheit der Be¬
griffe einer ursprünglichen Einheit entspricht, die die Ursache für
die schließliche Einheit wird.
Was keine Philosophie, sei sie noch so realistisch orientiert und
ängstlich bemüht, die Objektivität oder Außer-Subjektivität des
Objekts sicherzustellen, bestreiten kann, ist der Satz, daß das er¬
kannte Objekt ad modum cognoscentis cognoscitur; es wird daher
zu einem innern Bestandteil des Gedankens und stört so nicht