234
Die Attribute der Kunst.
innere Berührung in magna suavitate, von der Campanella spricht:
es ist die innere Zartheit des Gefühls, das Leben, das nicht um uns
herum, in der Höhe, in fernen Himmeln glüht und atmet, sondern
im Innersten der menschlichen Individualität. So liegt der Quell
der Freude, der Kraft, des Lebens immer hier, in der Kunst.
IV.
Kunst und Moral.
1.
Das Problem.
Eine der Fragen im Felde der Kunst, die am meisten und
leidenschaftlichsten erörtert werden, ist die ihres Zusammenhanges
mit der Moral: am leidenschaftlichsten, weil — mag der Ansthein
auch dagegen sprechen — nichts für den Menschen wichtiger als
die Moralität ist; von ihr könnte man bisweilen sagen, daß, wer
für sich selbst am wenigsten von ihr hat, um so mehr sie von dem
anderen fordert. Und am meisten wurde diese Frage erörtert,
weil man nicht zu einem Schluß, der ein Problem als überwunden
fallen läßt, gelangen kann, solange man auf einem Boden dis¬
kutiert, auf dem jeder aus dem Stegreif Grundsätze aufstellt, die
ihm als Voraussetzungen dienen, und die Begriffe, von denen man
spricht, nicht streng definiert: in diesem Falle die Begriffe von
Kunst und Moral.
Die vorliegende Abhandlung, die dem Wesen der Kunst nach¬
geht, mußte sich stets das ganze Leben des Geistes gegenwärtig
halten, und im Hintergrund aller unserer Betrachtungen fand sich
immer auch die Form der geistigen Aktivität, die man die prak¬
tische oder ethische nennt. Jetzt aber muß dieser Begriff aus dem
Hintergrund in das volle Licht heraufkommen, damit man den
Zusammenhang der Sittlichkeit mit der Kunst erkennt, wie sie
von uns verstanden wird.
2.
Die moralische Handlung.
Vor allem ist die praktische Form stricto sensu nichts anderes
wie — ich wiederhole es — die moralische Form. Denn, wie man
nicht vergessen darf: der ganze Geist ist praktisch: und es gibt