Full text: Philosophie der Kunst

Liebe und Sprache. 
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Faßt man Kunst und Gedanken so materiell, betrachtet man 
die Menschen nebeneinander, wie sie sich der Erfahrung dar¬ 
stellen, betrachtet man ihr geistiges Leben in ihren Werken, wie 
sie sich einzeln gegenständlich darstellen, stellt man sie nebenein¬ 
ander und vermag man sie mehr oder weniger vernünftig in Reih 
und Glied einzuordnen, so wird jede Unterscheidung eitel. Und 
keine Mühe und kein Scharfsinn genügt, um grobe Urteils- 
irrtümer wie die zu vermeiden, nach denen sich in der Geschichte 
der Dichtung und überhaupt der italienischen Literatur bis vor 
kurzer Zeit kein Plätzchen fand, das man einem Schriftsteller von 
dem Range Brunos oder Vicos einräumte, kein Plätzchen in der 
Philosophie, zu der man einem Leonardo oder einem Galilei mit 
übertriebener Pedanterie den Zutritt verweigerte. Die Wahrheit 
ist, daß der Mensch nichts anderes tut als denken, sein ganzes 
Leben ist Gedanke. Er denkt, mag dieser Gedanke in Worten, in 
Tonzeichen, in Linien und Figuren, in Farben, Stein und Marmor 
Gestalt annehmen, mag er in das System der Natur und in die 
Beziehungen der Menschen untereinander mit seinen Handlungen 
eingreifen. Jede Gedankenform ist Erschaffung einer neuen Wirk¬ 
lichkeit, weil sie Erschaffung einer Persönlichkeit (und der Welt, 
die zu dieser Persönlichkeit in Verbindung steht) ist, die ohne 
den Denkakt nie zum Sein gelangte. Wenn wir uns aufmachen, 
um den Gedanken in den Formen zu suchen, in denen er sich ver¬ 
wirklicht, als Staat, als Sieg, als Friedensverhandlung und Bündnis¬ 
vertrag, als Institut, als Wort, als Dichtung, als System, Bild, Sta¬ 
tue oder Gebäude — immer werden wir einen Menschen dabei 
finden, der denkt: er hat ein Problem und löst es. Und er löst es, 
insofern er ein Selbst-Bewußtsein in der Synthese eines Subjekts 
(das das Subjekt ist) mit einem Objekt (das das Objekt des Sub¬ 
jekts ist) verwirklicht. In dieser Synthese werden wir immer mit 
zwingender Notwendigkeit alle drei Elemente der Synthese fin¬ 
den: das Subjekt, das Objekt und ihrer beider Verbindung. Die 
Verbindung ist der Gedanke, aber in der Verbindung liegt das 
Objekt, liegt vor allem das Subjekt. Wenn dies fehlte, so könnte 
die Verbindung beider, die es zur Voraussetzung hat, nicht vom 
Himmel herabregnen. So ist jeder Mensch Mensch, das heißt Ge¬ 
danke; aber er ist vor allem Künstler, und das bedeutet, daß er 
die Seele, die er besitzt, im Denken erweist. 
In die Synthese des Gedankens können wir wie in jede Syn¬ 
these die Analyse hereintragen. Doch wie? Die Analyse — darf man 
nicht vergessen — ist die Analyse der Synthese. Das heißt: das
	        
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