Full text: Philosophie der Kunst

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Die Aktualität der Kunst. 
liehen Einheit zu werden, die in meinem Fühlen ihre Grundlage 
und ihre Gewährleistung findet; oder weil jedenfalls diese Person 
einen mir notwendigen Faden in dem Gewebe meines Lebens hin¬ 
zufügt. 
6. 
Von der Liebe zu sich zur Liebe zu Gott. 
Die Liebe löst so in einem Zuge und mit äußerster Einfach¬ 
heit die schwierigsten und verwickeltsten Probleme des reflektie¬ 
renden Betrachtens. Dies will oft auf langen und mühseligen 
Wegen dem Bewußtsein die Gewißheit der Subjektivität des Ob¬ 
jekts wiederverleihen, in der die fernen und weiten und rätsel¬ 
haften Dinge sich dem Menschen anpassen, vertraut und Freund 
mit ihm werden und sich ihm erschließen, wo zu einem Mittel für 
die Ausübung unserer Kräfte, unserer Stärke, unseres besten 
Vermögens wird, was sonst unsere natürliche Lebensfreude stört, 
uns Mißbehagen, Verlegenheit, Unruhe und Schmerz bereitet, was 
unser Fühlen bedrängt und sich unserem Sein feindlich entgegen¬ 
stellt. Nun, wenn unser Herz aufgeschlossen und von den kleinen 
Vorstellungen befreit ist, die an die kleine Vorstellung unserer 
fälschlich als etwas Besonderes verstandenen Persönlichkeit gebun¬ 
den sind, lehrt uns nicht die Erfahrung zugleich mit diesem Er¬ 
schlossensein, das nichts anderes als die Unendlichkeit des Gefühls 
ist, wie plötzlich, fast durch ein Wunder, sich die menschliche 
Brüderlichkeit enthüllt, die alle Menschen in einem einzigen Ge¬ 
fühl sich umschlingen läßt? Spricht sie uns nicht von der durch 
die Vorsehung bestimmten Güte der Dinge, von der großen Mutter 
Erde, von der großen Mutter Natur, die uns erzeugt hat und uns 
ernährt und uns mit allen ihren Kräften leitet, von der „Mutter, 
der holden, frommen“, die uns zum Leben beseelt und uns dies 
Leben, das unser Leben ist, lieben läßt, in dem wir alles Gute 
viel oder wenig, wie es uns zukommt, tun? Das bedeutet, daß die 
Liebe mit jener relativen Unmittelbarkeit, die dem Gefühl eigen 
ist, Menschen und Dinge zu einer menschlichen Subjektivität ver¬ 
bindet, die die Wurzel jeden Gedankens und jeden Tuns bildet. 
Und mit geweiteter Brust atmet der Mensch aufs neue in der Welt, 
in der er freier und mit tieferem Glauben an das Leben, das er 
leben und an das Gute, das er tun kann, sein Tun und sein Den¬ 
ken zum Ausdruck bringt. 
Welches Ziel haben schließlich die spekulativen und praktischen 
Gegensätze, die Kämpfe und Kriege, mit denen die Menschheit auf
	        
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